Handtasche darf nicht kopiert werden

In einer aktuellen Entscheidung des OLG Frankfurt wurde die Nachahmung einer Damen­hand­tasche, die seit vielen Jahren mit großem Erfolg vertrieben wird, unter dem Gesichts­punkt des ergän­zenden wettbe­werbs­recht­lichen verboten. Damit konnten sich die Kläger trotz fehlender regis­trierter Schutz­rechte gegen die Nachahmer durch­setzen, denn die Richter sahen aufgrund des überragend hohen Bekannt­heits­grades der Origi­nal­tasche und dem damit einher­ge­henden entspre­chend guten Ruf bei der vorlie­genden Ähnlich­keiten ein Ausnutzen der Leistungen der Klägerin.

Urteil

Auf die Berufung der Antrags­geg­nerin wird das am 20.12.2012 verkündete Urteil der 3. Zivil­kammer des Landge­richts Frankfurt am Main teilweise abgeändert.

  1. Der Antrag auf Erlass einer einst­wei­ligen Verfügung zu a) und c) (vgl. Abbil­dungen auf S. 2 und untere Abbildung auf S. 3 des Urteils vom 20.12.2012) wird zurück­ge­wiesen; insoweit wird der Beschluss — einst­weilige Verfügung vom 30.08.2012 aufgehoben.
  2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
  3. Die Kosten der ersten Instanz des Eilver­fahrens hat die Antrags­geg­nerin zu ¼ und die Antrag­stel­lerin zu ¾ zu tragen.
  4. Die Kosten des Berufungs­ver­fahrens werden gegen­ein­ander aufgehoben.
  5. Der Streitwert des Berufungs­ver­fahrens wird auf € 200.000,00 festgesetzt.

 

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

Von der Darstellung des Sachver­halts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat hinsichtlich der Unter­las­sungs­aus­sprüche zu a) und c) der einst­wei­ligen Verfügung Erfolg; hinsichtlich des Unter­las­sungs­an­spruchs zu b) ist sie unbegründet.

Der Antrag­stel­ler­ver­treter hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klarge­stellt, dass sich das mit dem Eilantrag weiter­ver­folgte Unter­las­sungs­be­gehren lediglich gegen die Werbung für die von der Antrags­geg­nerin angebotene Tasche richtet, in welcher der Taschen­boden nicht erkennbar ist.

1. Im Hinblick auf dieses beschränkte Verbotsziel steht der Antrag­stel­lerin der mit den Anträgen zu a) und c) geltend gemachte Unter­las­sungs­an­spruch deswegen nicht zu, weil es an der erfor­der­lichen Wieder­ho­lungs- bzw. Begehungs­gefahr fehlt. Zwar hat die Antrag­stel­lerin in die genannten Anträge Abbil­dungen aufge­nommen, auf denen der Taschen­boden nicht zu erkennen ist. Diese Abbil­dungen geben jedoch die angegrif­fenen konkreten Verlet­zungs­formen nicht vollständig wieder.

Die Abbildung gemäß Antrag zu a) ist zwar im Inter­net­auf­tritt der Antrags­geg­nerin enthalten. Aus der von der Antrags­geg­nerin vorge­legten, den Inter­net­auf­tritt vollständig wieder­ge­benden Anlage AG 19 ergibt sich jedoch, dass sich unmit­telbar neben dieser Abbildung ein weiteres Foto der Tasche befindet, die deren Boden­ge­staltung deutlich erkennen lässt. Ebenso ist die Abbildung gemäß Antrag zu c) zwar im Katalog der Antrags­geg­nerin (Anlage ASt 15) auf den Seiten 18, 19 enthalten. Auf Seite 19 findet sich jedoch ein weiteres Foto, welches den Boden der Tasche zeigt. In beiden genannten Fällen stehen die jewei­ligen Fotos mit dem deutlich erkenn­baren Taschen­boden in derart engem räumlichem Zusam­menhang mit den in die Anträge zu a) und b) aufge­nom­menen Abbil­dungen, dass der Werbe­adressat auch die Gestaltung des Taschen­bodens zur Kenntnis nimmt. Damit fehlt es insoweit an einer auf die Darstellung der Tasche ohne Boden bezogenen Benut­zungs­handlung, so dass ein Unter­las­sungs­an­spruch unter dem Gesichts­punkt der Wieder­ho­lungs­gefahr ausscheidet. Für eine Erstbe­ge­hungs­gefahr, d.h. für die Möglichkeit, dass die Antrags­geg­nerin die Abbil­dungen gemäß Anträgen zu a) und c) künftig auch isoliert verwenden könnte, fehlen greifbare Anhaltspunkte.

 

2. Dagegen hat die Berufung keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verur­teilung gemäß Antrag zu b) richtet.

Die Abbildung gemäß Antrag zu b) ist auf den Seiten 3 und 4 des Katalogs der Antrags­geg­nerin (Anlage ASt 15) enthalten, ohne dass sich im räumlichen Zusam­menhang damit eine weitere Darstellung findet, die den Taschen­boden wiedergibt. Damit liegt eine Benut­zungs­handlung im Sinne des unter 1. erläu­terten beschränkten Verbots­ziels vor.

Insoweit steht — wie das Landge­richt zutreffend angenommen hat — der Antrag­stel­lerin der geltend gemachte Unter­las­sungs­an­spruch jeden­falls aus § 4 Nr. 9 lit. b Fall 1 UWG zu.

a) Dem Taschen­modell „A” kommt wettbe­werb­liche Eigenart zu. Ein Erzeugnis besitzt wettbe­werb­liche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausge­staltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die inter­es­sierten Verkehrs­kreise auf seine betrieb­liche Herkunft oder seine Beson­der­heiten hinzu­weisen (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 25 — Handta­schen). Die Tasche der Antrag­stel­lerin weist Merkmale auf, die in ihrer Kombi­nation besonders und originell wirken. Die Merkmals­kom­bi­nation ist durch die Trapezform, den Reißver­schluss an der Oberseite, den reizvollen Material- und Farbkon­trast eines Taschen­korpus aus Nylon einer­seits und Besatz­stücken und Henkel aus Leder anderer­seits, den Leder­überwurf und die Faltbarkeit gekenn­zeichnet. Insoweit kann auf die zutref­fenden Ausfüh­rungen des Landge­richts Bezug genommen werden.

Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, jedes einzelne dieser Merkmale sei auch im wettbe­werb­lichen Umfeld zu finden. Entscheidend für den Gesamt­ein­druck ist die Kombi­nation der Gestal­tungs­merkmale, wenn sie auch jeweils für sich genommen vorbe­kannt und geläufig sein mögen.

Ohne Erfolg beruft sich die Antrags­geg­nerin darauf, das seit 1995 erhält­liche Modell „B” weise eine vergleichbare Merkmals­kom­bi­nation auf (Anlage AG1). Der Berufung ist zuzugeben, dass dieses Modell unter den vorge­legten Entge­gen­hal­tungen „A” am nächsten kommt. Eine entschei­dende Abwei­chung liegt jedoch darin, dass das Nylon­ma­terial bei dieser Tasche ein Jacquard­muster aufweist. Es handelt sich um ein prägnantes Merkmal, das den Blick auf sich zieht und das Merkmal des Materi­al­kon­trasts weniger auffällig erscheinen lässt. Es verleiht der Tasche deshalb einen anderen Gesamt­ein­druck (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. V. 7.6.2011, Anlage Ast 11.5).

Ohne Erfolg macht die Antrags­geg­nerin geltend, die wettbe­werb­liche Eigenart sei jeden­falls nachträglich durch das später entstandene Markt­umfeld mit einer Vielzahl ähnlicher Produkte entfallen. Von einem Verlust der wettbe­werb­lichen Eigenart ist auch beim Vorhan­densein zahlreicher Kopien auf dem Markt nicht auszu­gehen, solange der Verkehr noch zwischen dem Original und den Nachah­mungen unter­scheidet ( BGHZ 138, 143, 149 — Les-Paul-Gitarren; BGH GRUR 2007, 795 Rn. 28 — Handta­schen). Dass dies der Fall ist, hat die Antrags­geg­nerin selbst vorge­tragen. Sie hat dargelegt, den hier maßgeb­lichen Verkehrs­kreisen — den modebe­wussten Kundinnen — sei das Modell „A” bestens bekannt. Sie könnten es ohne weiteres von Fälschungen unter­scheiden (Bl. 325, 517, 522 d.A.).

b) Das in der Werbe­an­zeige abgebildete Taschen­modell der Antrags­geg­nerin ist als Nachahmung einzu­stufen. Es weist hinrei­chende Ähnlich­keiten auf. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit kommt es auf die Gesamt­wirkung der einander gegen­über­ste­henden Produkte an. Denn der Verkehr nimmt ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestand­teilen wahr, ohne es einer analy­sie­renden Betrachtung zu unter­ziehen (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 32 — Handta­schen; GRUR 2010, 80 Rn. 39 — LIKEaBIKE). Es ist weiter der Erfah­rungssatz zu berück­sich­tigen, dass der Verkehr die in Rede stehenden Produkte regel­mäßig nicht gleich­zeitig wahrnimmt und mitein­ander vergleicht, sondern seine Auffassung aufgrund eines Erinne­rungs­ein­drucks gewinnt, in dem die überein­stim­menden Merkmale stärker hervor­treten als die unterscheidenden.

Es kann zur Vermeidung von Wieder­ho­lungen auf die überzeu­genden Ausfüh­rungen des Landge­richts Bezug genommen werden. Ohne Erfolg behauptet die Antrags­geg­nerin mit der Berufung, ihre Tasche sei gar nicht trapez­förmig, sondern recht­eckig. Maßgeblich ist die im Klage­antrag abgebildete Gestaltung. Hier ist die Oberkante der Tasche länger als die Unter­kante. Sie ist damit trapez­förmig. Ein Unter­schied besteht in der Breite des Leder­über­wurfs. Dieser Unter­schied ist jedoch nach dem maßgeb­lichen Erinne­rungsbild des Verkehrs nicht ausschlag­gebend. Das gleiche gilt für die unteren Ecken, die bei der Antrags­geg­nerin abwei­chend vom Original einen Leder­besatz aufweisen. Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Landge­richt diese Unter­schiede bei seiner Beurteilung gewürdigt (vgl. S. 13 des Urteils). Der zusätz­liche Leder­besatz reiht sich in den Materi­almix aus Nylon und Leder­ap­pli­ka­tionen ein, den der Verkehr vom Original kennt. Er erzeugt daher keinen abwei­chenden Gesamt­ein­druck. Es spricht viel dafür, dass auch die abwei­chende Boden­ge­staltung keine andere Beurteilung recht­fertigt. Dies bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil der Boden auf den allein streit­ge­gen­ständ­lichen Werbe­ab­bil­dungen nicht erkennbar ist.

c) Es kann dahin­ge­stellt bleiben, ob die Voraus­set­zungen einer Herkunfts­täu­schung nach § 4 Nr. 9a UWG erfüllt sind. Es liegt jeden­falls eine unange­messene Ausnutzung der Wertschätzung nach § 4 Nr. 9 lit. b Fall 1 UWG vor. Unstreitig genießt die „A”-Tasche einen überragend hohen Bekannt­heitsgrad. Sie verfügt über einen entspre­chend guten Ruf. Die Annährung der Tasche der Antrags­geg­nerin geht über das bloße Erwecken von Assozia­tionen hinaus.

d) Bei Gesamt­wür­digung aller Umstände stellt sich die Bewerbung der streit­ge­gen­ständ­lichen Tasche als unlauter dar. Wie das Landge­richt zutreffend festge­stellt hat, genießt die „A”-Tasche einen hohen Grad an wettbe­werb­licher Eigenart. Sie hat damit einen weiten Schutz­be­reich. Die Anfor­de­rungen an den Grad der Nachahmung und die beson­deren Umstände, die die Unlau­terkeit begründen, sind entspre­chend geringer. Ohne Erfolg beruft sich die Antrags­geg­nerin darauf, der Verkehr wisse sehr genau, wie eine echte „A” aussehe und erkenne daher die Unter­schiede. Dieses Argument verfängt nicht. Der hohe Bekannt­heitsgrad kann nicht zu einem gerin­geren Schutz­umfang führen. Es ist vielmehr davon auszu­gehen, dass dem Verkehr bekannte Erzeug­nisse eher in Erinnerung bleiben, so dass das Publikum deshalb auch eher in einer Nachahmung das Original wieder­zu­er­kennen glaubt (BGH GRUR 2007, 795 Rn. 47 — Handta­schen). Der Tatbe­stand der unlau­teren Ausnutzung der Wertschätzung setzt außerdem keine Täuschung der angespro­chenen Verkehrs­kreise voraus. Es reicht, dass die Vorstellung der Güte oder Qualität eines bestimmten Produkts auf ein anderes übertragen wird. Dies kann auf einer bloßen Annäherung an die fremde Leistung beruhen (vgl. BGH GRUR 2010, 1125 Rn. 42 — Femur-Teil).

e) Auf eine subjektive Nachahmung kommt es entgegen der Ansicht der Berufung für den allein gegen­ständ­lichen Unter­las­sungs­an­spruch nicht an (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 4 Rn. 9.68).

Die Kosten­ent­scheidung folgt aus §§ 92 I, 97 I, 269 III, 2 ZPO. Insbe­sondere hat das Landge­richt mit zutref­fenden Erwägungen angenommen, dass die Antrag­stel­lerin einen Teil des Verfü­gungs­be­gehrens, nämlich soweit es ursprünglich auch auf das Anbieten der Taschen in gegen­ständ­licher Form gerichtet war, in erster Instanz zurück­ge­nommen hat. Die Anschluss­be­rufung der Antrag­stel­lerin ist gegen­standslos, da die Kosten­ent­scheidung des Landge­richts von Amts wegen zu überprüfen war.