URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)
In der Rechtssache T‑69/17
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwerdekammer des EUIPO vom 1. Dezember 2016 (Sache R 2205/2015‑5) über die Anmeldung des Wortzeichens Fack Ju Göhte als Unionsmarke
erlässt
DAS GERICHT (Sechste Kammer)
auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2017
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Am 21. April 2015 meldete die Klägerin, die Constantin Film Produktion GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Fack Ju Göhte; dies ist außerdem der Titel einer von der Klägerin produzierten deutschen Filmkomödie, die in Deutschland zu den größten Kinoerfolgen des Jahres 2013 zählt. Im Übrigen wurde von der Klägerin eine Fortsetzung des Films produziert, die 2015 in den Kinos anlief.
Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 9, 14, 16, 18, 21, 25, 28, 30, 32, 33, 38 und 41 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:
- Klasse 3: „Wasch- und Bleichmittel; Putz‑, Polier‑, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel“;
- Klasse 9: „Bespielte Datenträger aller Art; elektronische Publikationen (herunterladbar), nämlich Audio‑, Video‑, Text‑, Bild- und Grafikdaten im digitalen Format; fotografische, Film- und Unterrichtsapparate und ‑instrumente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Datenverarbeitungsgeräte und Computer sowie Teile von diesen; Software“;
- Klasse 14: „Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente“;
- Klasse 16: „Druckereierzeugnisse; Fotografien; Schreibwaren; Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“;
- Klasse 18: „Reise- und Handkoffer; Regenschirme und Sonnenschirme; Spazierstöcke; Gepäck; Gepäckanhänger; Taschen; Brieftaschen und andere Tragebehältnisse“;
- Klasse 21: „Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Kerzenständer“;
- Klasse 25: „Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“;
- Klasse 28: „Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck“;
- Klasse 30: „Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatzmittel; Reis, Tapioka und Sago; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Zucker, Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis“;
- Klasse 32: „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“;
- Klasse 33: „Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“;
- Klasse 38: „Telekommunikationsdienstleistungen; Bereitstellung von Internetchatrooms und Internetforen; Übermittlung von Daten über das Internet, insbesondere von Audio‑, Video‑, Text‑, Bild- und Grafikdaten im digitalen Format, einschließlich Video-on-Demand“;
- Klasse 41: „Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung, insbesondere Film- und Fernsehunterhaltung, Zusammenstellung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, Rundfunk‑, Fernseh- und Filmproduktion, Vermietung von Filmen, Filmvorführungen in Kinos; sportliche und kulturelle Aktivitäten“.
Mit Entscheidung vom 25. September 2015 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 2017/1001) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) für die oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienstleistungen zurück.
Am 5. November 2015 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) beim EUIPO Beschwerde ein.
Mit Entscheidung vom 1. Dezember 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Insbesondere war sie in Bezug auf die Bestimmung der maßgeblichen Verkehrskreise der Auffassung, dass dabei auf die Wahrnehmung der deutschsprachigen Verbraucher innerhalb der Europäischen Union, nämlich diejenigen in Deutschland und Österreich, abzustellen sei. Außerdem richteten sich die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen zwar an den Allgemeinverbraucher, manche aber richteten sich an Kinder und Jugendliche. Die maßgeblichen Verkehrskreise nähmen die Aussprache des Wortbestandteils „Fack Ju“ so wahr, als sei er identisch mit dem englischen Ausdruck „fuck you“, so dass er dieselbe Bedeutung habe. Weiter stellte die Beschwerdekammer fest, dass der Ausdruck „fuck you“, selbst wenn die maßgeblichen Verkehrskreise ihm keine sexuelle Bedeutung beimäßen, nicht nur eine geschmacklose, sondern auch eine anstößige und vulgäre Beleidigung darstelle. Der ergänzende Bestandteil „Göhte“, mit dem ein hochangesehener Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe posthum in herabwürdigender und vulgärer Weise verunglimpft werde, noch dazu in fehlerhafter Rechtschreibung, könne vom verletzenden und gegen die guten Sitten verstoßenden Charakter der Beschimpfung „Fack Ju/fuck you“ keinesfalls ablenken. Zudem eröffne die Bezugnahme auf Johann Wolfgang von Goethe möglicherweise sogar eine weitere Ebene des Sittenverstoßes. Daraus, dass der Titel eines Films, der ein breiter Publikumserfolg gewesen sei, identisch mit der Markenanmeldung sei, dürfe nicht geschlossen werden, dass die relevanten Verkehrskreise keinen Anstoß an der angemeldeten Marke nähmen. Obwohl schließlich bei der Bewertung einer Markenanmeldung auf ihre Verbraucherwahrnehmung im Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen sei, gelte für das Eintragungshindernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 doch, dass es nicht gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001) aufgrund des Nachweises der Verkehrsdurchsetzung überwunden werden könne.
Anträge der Parteien
Die Klägerin beantragt nach teilweiser Klagerücknahme,
- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
- dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
Das EUIPO beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) rügt.
Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009
Die Klägerin macht geltend, dass weder das Anmeldezeichen als Ganzes noch dessen einzelne Elemente vulgär, anstößig oder beleidigend seien. Daher habe die Beschwerdekammer das Zeichen falsch aufgefasst und sei unzutreffend davon ausgegangen, dass es gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung ausgeschlossen sei.
Insoweit ist festzustellen, dass gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, von der Eintragung ausgeschlossen sind. Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung finden die Vorschriften des Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Ein solcher Teil kann gegebenenfalls aus einem einzigen Mitgliedstaat bestehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. September 2011, Couture Tech/HABM [Darstellung des sowjetischen Staatswappens], T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Das dem absoluten Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 zugrunde liegende Allgemeininteresse besteht nach der Rechtsprechung darin, die Eintragung von Zeichen zu verhindern, deren Benutzung im Gebiet der Union gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen würde (Urteil vom 20. September 2011, Darstellung des sowjetischen Staatswappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 29).
Die Prüfung, ob ein Zeichen gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, muss im Hinblick auf die Wahrnehmung dieses Zeichens bei seiner Benutzung als Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise in der Union oder in einem Teil derselben vorgenommen werden (Urteile vom 20. September 2011, Darstellung des sowjetischen Staatswappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 50, und vom 9. März 2012, Cortés del Valle López/HABM, [¡Que buenu ye! HIJOPUTA], T‑417/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:120, Rn. 12).
Erstens steht fest, dass es sich bei den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen um solche des laufenden täglichen Verbrauchs handelt. Folglich setzen sich die maßgeblichen Verkehrskreise, wie die Beschwerdekammer bei der Verwendung des Begriffs „allgemeiner Verbraucher“ zutreffend angenommen und das EUIPO in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, aus der breiten Öffentlichkeit zusammen; der Grad der Aufmerksamkeit der maßgeblichen Verkehrskreise sei der eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers.
Die maßgeblichen Verkehrskreise können für die Prüfung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen Eintragungshindernisses jedoch nicht auf das Publikum begrenzt werden, an das sich die Waren und Dienstleistungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, unmittelbar richten. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass das von diesem Eintragungshindernis erfasste Zeichen nicht nur bei den Verkehrskreisen, an die sich die mit dem Zeichen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen richten, sondern auch bei anderen Personen Anstoß erregen wird, die dem Zeichen, ohne an den genannten Waren und Dienstleistungen interessiert zu sein, im Alltag zufällig begegnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, PAKI Logistics/HABM [PAKI], T‑526/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:564, Rn. 18).
Zweitens ist daran zu erinnern, dass der Durchschnittsverbraucher, auch wenn er eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet, gleichwohl ein von ihm wahrgenommenes Wortzeichen in die Wortbestandteile aufteilen wird, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (vgl. Urteil vom 8. Juli 2015, Deutsche Rockwool Mineralwoll/HABM – Redrock Construction [REDROCK], T‑548/12, EU:T:2015:478, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).
In der vorliegenden Rechtssache wird der durchschnittliche Verbraucher feststellen, dass das angemeldete Zeichen dem häufig verwendeten und weit verbreiteten englischen Ausdruck „fuck you“ ähnlich ist, dem die Klägerin den Bestandteil „Göhte“ hinzugefügt hat, der dem Familiennamen des Schriftstellers und Dichters Johann Wolfgang von Goethe ähnlich ist. Da es sich aber zum einen bei dem angemeldeten Zeichen um eine lautschriftliche Übertragung des dem deutschsprachigen Publikum allgemein bekannten englischen Ausdrucks „fuck you“ ins Deutsche handelt, und zum anderen Johann Wolfgang von Goethe ein in Deutschland und Österreich sehr geschätzter Dichter und Schriftsteller ist, ist die Beurteilung der Beschwerdekammer zu bestätigen, wonach die maßgeblichen Verkehrskreise aus deutschsprachigen Verbrauchern in der Union, und zwar denjenigen in Deutschland und in Österreich, bestehen.
Drittens ist in Bezug auf die Wahrnehmung des angemeldeten Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise oben in Rn. 17 darauf hingewiesen worden, dass das Publikum das Zeichen mit dem englischen Ausdruck „fuck you“, verbunden mit dem Familiennamen Goethe – das Ganze in fehlerhafter Rechtschreibung –, gleichsetzen werde. Der Begriff „fuck“ wird sowohl als Nomen, als auch als Adjektiv, Adverb und Interjektion verwendet, und wie bei den meisten gebräuchlichen Wörtern entwickelt sich sein Sinn im Laufe der Jahre und hängt vom Zusammenhang ab, in dem er verwendet wird. Wenn dem englischen Ausdruck „fuck you“ in seiner ureigenen Bedeutung also eine sexuelle Bedeutung beizumessen und er von Vulgarität geprägt ist, so wird er doch auch, wie von der Beschwerdekammer übrigens in Betracht gezogen wurde, in einem anderen Zusammenhang verwendet, um Wut, Enttäuschung oder Missachtung gegenüber einem anderen zum Ausdruck zu bringen. Aber selbst in einem solchen Fall bleibt dieser Ausdruck durch eine ihm innewohnende Vulgarität geprägt und der am Ende des in Rede stehenden Zeichens hinzugefügte Bestandteil „Göhte“ ermöglicht zwar eine Bestimmung des „Adressaten“ der Wörter am Anfang des Zeichens, ist aber nicht geeignet, die Vulgarität abzumildern.
Im Übrigen ist festzustellen, dass entgegen den Ausführungen der Klägerin in ihrer Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung der Umstand, dass der Film „Fack Ju Göhte“ seit seinem Kinostart von mehreren Millionen Menschen gesehen wurde, nicht bedeutet, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht von dem angemeldeten Zeichen schockiert wären.
Demnach ist die Beschwerdekammer zu Recht davon ausgegangen, dass der englische Ausdruck „fuck you“ und somit das angemeldete Zeichen insgesamt naturgemäß vulgär sind und die maßgeblichen Verkehrskreise daran Anstoß nehmen könnten. Somit hat sie hieraus zutreffend geschlossen, dass das angemeldete Zeichen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung auszuschließen sei.
Das übrige Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, diese Beurteilung in Frage zu stellten.
Erstens macht sie geltend, dass die Voraussetzung des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung getrennt von der Voraussetzung des Verstoßes gegen die guten Sitten hätte geprüft werden müssen, da es sich um zwei unterschiedlichen Begriffe handele. Die angefochtene Entscheidung sei rechtlich unzureichend begründet, da sie weder die Rechtsvorschriften noch die Rechtsgrundsätze darlege, gegen die durch das Anmeldezeichen verstoßen werde, um die Ablehnung der Eintragung des Zeichens wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zu rechtfertigen.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 nicht verpflichtet ist, den etwaigen Verstoß der angemeldeten Zeichen gegen die öffentliche Ordnung und gegen die guten Sitten getrennt zu prüfen, und aufgrund dessen in der Begründung auch nicht angeben muss, um welchen der beiden Fälle es sich konkret handelt. Überdies ergibt sich eine solche Verpflichtung entgegen den Ausführungen der Klägerin auch nicht aus den Prüfungsrichtlinien des EUIPO. Vielmehr geht, wie die Klägerin selbst einräumt, aus den allgemeinen Bemerkungen zu Teil B Abschnitt 4 Kapitel 7 dieser Richtlinien hervor, dass es sich bei der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten um zwei verschiedene Begriffe handelt, die sich jedoch häufig überschneiden. Unter diesen Umständen geht die vorliegende Rüge ins Leere und ist zurückzuweisen.
Eine solche Rüge ist außerdem auch unbegründet, da aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass sich die Beschwerdekammer zwar sowohl auf die öffentliche Ordnung als auch auf die guten Sitten stützt, wenn sie auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 Bezug nimmt. In Rn. 31 der angefochtenen Entscheidung hat die Beschwerdekammer jedoch erläutert, und das EUIPO hat dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass das in Rede stehende Zeichen von der Eintragung ausgeschlossen wurde, weil es gegen die guten Sitten verstößt. Somit hat die Beschwerdekammer fehlerfrei davon abgesehen, eine gesonderte Prüfung im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß des angemeldeten Zeichens gegen die öffentliche Ordnung durchzuführen und die wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung einen Ausschluss von der Eintragung rechtfertigenden Rechtsvorschriften und ‑grundsätze anzugeben, die durch dieses Zeichen verletzt würden.
Zweitens macht die Klägerin geltend, dass durch die besondere Schreibweise der Wortbestandteile „fack“ und „ju“ ein ausreichender Abstand zu der möglicherweise sittenwidrigen Redewendung „fuck you“ bestehe. Somit stelle das Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit ein per se kennzeichnungskräftiges Mehrwortzeichen dar, das originell und prägnant sei und einen offensichtlichen, für die relevanten Verkehrskreise ohne Weiteres erkennbaren satirischen, scherzhaften und verspielten Gehalt aufweise.
Insoweit genügt der Hinweis, dass sich die maßgeblichen Verkehrskreise dem vulgären Charakter dieses Ausdrucks und damit des Anmeldezeichens gegenüber sähen, da sie, wie oben in Rn. 17 ausgeführt, das angemeldete Zeichen dahin auffassen werden, dass es sich dabei um die Übertragung des Ausdrucks „fuck you Goethe“ ins Deutsche handelt. Unter diesen Umständen genügt allein die Tatsache, dass das angemeldete Zeichen eine besondere Rechtschreibung aufweist, nicht aus, um ihm einen satirischen, scherzhaften und verspielten Gehalt zu verleihen.
Drittens führt die Klägerin aus, dass das Anmeldezeichen im Zusammenhang mit dem Film „Fack Ju Göhte“ scherzhaft auf den gelegentlichen Schulfrust der Schüler hinweise und dafür eine Wortkombination verwende, die jugendlichen Slang aufgreife.
Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten auf die Marke selbst abzustellen ist, d. h. auf das Zeichen in Verbindung mit den Waren und Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen werden soll (Urteil vom 13. September 2005, Sportwetten/OHMI – Intertops Sportwetten [INTERTOPS], T‑140/02, EU:T:2005:312, Rn. 27).
Weiter wird, worauf das EUIPO in seinen Schriftsätzen hinweist, im Bereich der Kunst, der Kultur und der Literatur stets der Schutz der freien Meinungsäußerung angestrebt, der im Bereich des Markenrechts nicht besteht.
Schließlich ist festzustellen, dass es sich bei den in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen um solche des laufenden täglichen Verbrauchs handelt, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise beim normalen Einkauf oder bei der Inanspruchnahme üblicher Dienstleistungen mit dem angemeldeten Zeichen konfrontiert werden. Jedoch ist nicht erwiesen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise bei solchen Tätigkeiten in dem angemeldeten Zeichen den Titel eines erfolgreichen Films erkennen und das Zeichen als einen „Scherz“ auffassen würden, wie es die Klägerin in ihren Schriftsätzen darstellt.
Viertens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe sich auf ein falsches Verständnis des Ausdrucks „fuck you“ gestützt und dem in Rede stehenden Zeichen daher eine sexuelle Konnotation beigemessen. Nach Auffassung der Klägerin haben der Ausdruck „fuck you“ und folglich erst recht das in Rede stehende Zeichen, wie es derzeit von den maßgeblichen Verkehrskreisen wahrgenommen werde, keine sexuelle Konnotation.
Insoweit ist bereits oben in Rn. 18 darauf hingewiesen worden, dass der Ausdruck „fuck you“ ohne jegliche sexuelle Bedeutung verwendet werden kann. Jedenfalls ist die Beschwerdekammer in der vorliegenden Rechtssache davon ausgegangen, dass es sich bei dem Ausdruck „fuck you“, selbst wenn die maßgeblichen Verkehrskreise ihm keine solche Bedeutung beimäßen, gleichwohl um einen Ausdruck handele, der nicht nur geschmacklos, sondern auch anstößig und vulgär sei. Unter diesen Umständen geht das Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das in Rede stehende Zeichen eine sexuelle Bedeutung habe, ins Leere und ihm kann nicht gefolgt werden.
Fünftens ist der von der Klägerin vorgebrachte Umstand irrelevant, dass sich das angemeldete Zeichen auch an Jugendliche und insbesondere an Schüler richte und es für diese besondere Gruppe Spaß und Identifikationsfläche bedeute, selbst wenn er erwiesen wäre.
Dass ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise eine äußerst derbe Ausdrucksweise für akzeptabel halten mag, reicht nämlich nicht, um diese Wahrnehmung als die maßgebliche anzusehen. Bei der Beurteilung, ob das Eintragungshindernis gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegt, kann weder auf die Wahrnehmung des Teils der maßgeblichen Verkehrskreise abgestellt werden, der leicht Anstoß nimmt, noch auf die Wahrnehmung des Teils dieser Kreise, der unempfindlich ist, sondern es müssen die Kriterien einer vernünftigen Person mit durchschnittlicher Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle zugrunde gelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, PAKI, T‑526/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:564, Rn. 12).
Sechstens erinnert die Klägerin daran, dass die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO in ihrer Entscheidung vom 28. Mai 2015 über das Zeichen „Die Wanderhure“ anerkannt habe, dass der Erfolg und die Bekanntheit des Werks tatsächlich gegen die Annahme einer Sittenwidrigkeit eines solchen Titels für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38 und 41 sprechen könnten.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das EUIPO verpflichtet ist, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, auszuüben (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 73).
Nach diesen beiden letztgenannten Grundsätzen muss das EUIPO im Rahmen der Prüfung der Anmeldung einer Unionsmarke die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht (vgl. Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Allerdings müssen der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 75).
Im Übrigen muss aus Gründen der Rechtssicherheit und gerade auch der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern. Diese Prüfung muss in jedem Einzelfall erfolgen. Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt nämlich von besonderen, im Rahmen der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls anwendbaren Kriterien ab, anhand deren ermittelt werden soll, ob das fragliche Zeichen nicht unter ein Eintragungshindernis fällt (vgl. Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Anmeldung des in Rede stehenden Zeichens und die Anmeldung des Zeichens „Die Wanderhure“ nicht als ähnlich im Sinne der oben in Rn. 37 angeführten Rechtsprechung angesehen werden können. Zum einen war – wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat – das Zeichen „Die Wanderhure“ beschreibend für den Inhalt des gleichnamigen Films, während dies beim angemeldeten Zeichen nicht der Fall ist. Daher ist es, wie oben in Rn. 19 ausgeführt worden ist, nicht möglich, vom großen Publikumserfolg des Films „Fack Ju Göhte“ darauf zu schließen, dass das Publikum in dem in Rede stehenden Zeichen unmittelbar den Filmtitel erkennen werde und nicht von dem angemeldeten Zeichen abgestoßen wäre. Zum anderen ist das Zeichen „Die Wanderhure“ aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise wesentlich weniger anstößig und – wenn es doch anstößig wäre – deutlich weniger vulgär als das angemeldete Zeichen. Nach alledem steht im Gegensatz zu dem, was möglicherweise bei bestimmten früheren Anmeldungen von aus Titeln künstlerischer Werke bestehenden Zeichen als Marken der Fall war, der vorliegenden Anmeldung unter Berücksichtigung der Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wurde, und der Wahrnehmung durch die beteiligten Verkehrskreise eines der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 aufgeführten Eintragungshindernisse entgegen.
Nach alledem kann die vorliegende Rüge nicht durchgreifen.
Siebtens macht die Klägerin geltend, es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass das Anmeldezeichen in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland und Österreich nicht als origineller Herkunftshinweis auf die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen verstanden und als sittenwidrig betrachtet werden könne. Außerdem fehle entsprechender Vortrag der Beschwerdekammer.
Insoweit genügt der Hinweis, dass nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 die Bestimmungen des Abs. 1 auch dann Anwendung finden, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Da aufgrund der vorstehenden Ausführungen das in Rede stehende Eintragungshindernis in Deutschland und in Österreich besteht, durfte das fragliche Zeichen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f dieser Verordnung von der Eintragung ausgeschlossen werden.
Unter diesen Umständen ist diese Rüge und damit der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009
Die Klägerin macht geltend, das angemeldete Zeichen sei originär kennzeichnungskräftig und originell sowie unterscheidungskräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.
Insoweit ist zu beachten, dass zum einen, da im Zusammenhang mit dem ersten Klagegrund festgestellt worden ist, dass das in Rede stehende Zeichen gegen die guten Sitten verstößt, die Beschwerdekammer es zu Recht gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung ausgeschlossen hat. Durch den Umstand – wenn er denn nachgewiesen wäre –, dass das Zeichen im Übrigen unterscheidungskräftig sei, kann eine solche Lösung nicht in Frage gestellt werden. Zum anderen geht jedenfalls aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass die Beschwerdekammer das in Rede stehende Zeichen gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung ausgeschlossen hätte.
Unter diesen Umständen ist der zweite Klagegrund, da er ins Leere geht, zurückzuweisen und damit die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Kosten
Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Constantin Film Produktion GmbH trägt die Kosten.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 24. Januar 2018.