Sachverhalt
1. Mit Anmeldung vom 1. März 2012 beantragte M24 GmbH („die Anmelderin“) die Eintragung der Bildmarke
mit Beanspruchung der Farben Weiß und Lila als Gemeinschaftsmarke für folgende Waren:
Klasse 20 – Möbel.
2. Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 74/2012 vom 18. April 2012 veröffentlicht.
3. Am 26. April 2012 legte die Sedus Stoll AG („die Widersprechende“) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke ein. Sie stützte ihren Widerspruch auf Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b GMV und auf die Wortmarke
mr.24
die als
a) deutsche Marke Nr. 305 72 216 am 7. Februar 2006 für „Möbel, insbesondere Büromöbel“ der Klasse 20 und als
b) Gemeinschaftsmarke Nr. 4 780 227 am 21. Dezember 20 06 für „Möbel, insbesondere Büromöbel“ der Klasse 20 eingetragen wurde.
3. Der Widerspruch war auf alle Waren der Widerspruchsmarken gestützt und gegen alle Waren der angefochtenen Marke gerichtet.
4. Mit Entscheidung vom 25. März 2013 („die angefochtene Entscheidung“) gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch in seiner Gesamtheit statt.
5. Mit Schreiben vom 24. Juli 2013, eingegangen beim Amt am 25. Juli 2013, beantragte die Anmelderin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, legte gegen die angefochtene Entscheidung Beschwerde ein und begründete diese sogleich.
6. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete die Anmelderin wie folgt:
Am 5. Juli 2013 erhielt der die unternehmenseigenen Marken betreuende Geschäftsführer der Anmelderin, Herr Dr. Pawelka, per Fax ein Schreiben des Vertreters der Widersprechenden (Anlage 1). Mit diesem Schreiben wurde die Anmelderin zur Zahlung der Kosten des Widerspruchsverfahrens aufgefordert. Auf diese Weise erfuhr die Anmelderin von der angefochtenen Entscheidung.
Alle an das Unternehmen der Anmelderin gerichteten Telefaxe werden in Form von E‑Mails empfangen. Das Unternehmen nutzt eine Fax-Server-Anwendung, die aus den auf die Fax-Nummer des Unternehmens eingehenden Telefaxen E‑Mails generiert und an einen einzelnen PC-Arbeitsplatz bzw. eine einzelne konkrete E‑Mail-Adresse leitet.
Alle an die Fax-Nummer der Anmelderin (+49 95 61 23 32 32 9) gerichteten Telefaxe werden als Fax-E-Mails an dem vorgenannten einzelnen PC-Arbeitsplatz bearbeitet. Zusammen mit den sonstigen regulären E‑Mails gehen dort täglich insgesamt ca. 200–250 E‑Mails ein, wobei neben Kundenanfragen und Bestellungen naturgemäß auch SPAM- bzw. Werbe-Mails enthalten sind. Zuständig für die E‑Mail-Bearbeitung und ‑Weiterleitung an diesem Arbeitsplatz war seit Einrichtung des Fax-E-Mail-Dienstes vor ca. 3 Jahren die seit 2004 im Unternehmen tätige und dort ausgebildete Bürokauffrau Frau Ebru Birinci. Sie war angewiesen, E‑Mails, die keine Kundenanfragen, Bestellungen oder ähnlich es, aber auch keine Werbung oder dergleichen enthalten, sofort an die persönliche E‑Mail-Adresse von Herrn Dr. Pawelka, der Geschäftsführer der Anmelderin, weiterzuleiten.
Das Datum der Widerspruchsentscheidung fällt in den Zeitraum, in dem eine andere Mitarbeiterin in die Fax-Bearbeitung eingearbeitet wurde, da das Arbeitsverhältnis mit Frau Birinci zum 28. Februar 2013 beendet wurde. Die freiwerdende Position wurde von Frau Svenja Streng, übernommen. Frau Streng ist ebenfalls Bürokauffrau, seit 2007 ist sie im Unternehmen der Anmelderin tätig und wurde auch dort ausgebildet.
Um weiterhin eine zuverlässige Bearbeitung der E‑Mails zu gewährleisten, wurde — wie aus dem Fax-Log-Ausdruck (Anlage 3) ersichtlich — die E‑Mail Adresse von Frau Streng bereits ab Januar 2013 zum Empfang der Fax-E-Mails hinterlegt. Frau Streng sollte nach und nach in die Tätigkeit eingewiesen und eingearbeitet werden, allerdings war die Vorgängerin Frau Birinci nicht bereit, hierzu beizutragen, da zu diesem Zeltpunkt bereits feststand, dass sie das Unternehmen verlassen würde.
Die sonst stets zuverlässige und im Unternehmen der Anmelderin bewahrte Kraft Frau Streng hat in der noch andauernden Einarbeitungsphase versehentlich die OAMI-Fax-E-Mail vom 25. März 2013 nicht an Herrn Dr. Pawelka weitergeleitet. Da diese Fax-E-Mail nicht mehr im Unternehmen vorhanden ist, ist davon auszugehen, dass Frau Streng die E‑Mail versehentlich gelöscht hat. Vor dem Hintergrund, dass Fax-E-Mails vom Amt lediglich den Betreff „Fax empfangen von OAMI +34 965131344“ aufweisen, hat Frau Streng die Faxe nicht als an den Geschäftsführer weiterleitenswert erkannt. Zu dieser Beurteilung hat neben dem für Frau Streng nicht zuordenbaren Absender „OAMI“ auch dieAbsender, Nummer (+34 …) geführt, die erkennbar aus dem Ausland stammt, weil solche bei der Anmelderin häufig eingehenden Mails aus dem Ausland regelmäßig lediglich Werbung enthalten.
Da Frau Streng die Fax-E-Mail vom 25. März 2013, die vermutlich die Widerspruchsentscheidung enthielt, versehentlich gelöscht hat, anstatt sie an den für die Marken zuständigen Geschäftsführer der Anmelderin weiterzuleiten, war es der Anmelderin nicht möglich , Kenntnis von der Widerspruchsentscheidung sowie von diesbezüglich laufenden Rechtsmittelfristen zu erlangen.
Entscheidungsgründe
Zur Zulässigkeit Gemäß Artikel 60 GMV gilt eine Beschwerde erst dann als zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung schriftlich beim Amt eingelegt wurde.
Die angefochtene Entscheidung ist am 25. März 2013 ergangen und der Anmelderin am selben Tag per Fax zugestellt worden, so dass die zweimonatige Frist zur Einreichung der Beschwerde am 27. Mai 2013 ablief. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die nicht verlängerbar ist. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist demnach nur mit erfolgreichem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand möglich.
Zum Wiedereinsetzungsantrag
Nach Artikel 81 Absatz 1 GMV wird der Anmelder oder jeder andere an einem Verfahren vor dem Amt Beteiligte, der trotz Beachtung der gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach der GMV den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsmittels zur unmittelbaren Folge hat.
Gemäß Artikel 81 Absatz 2 GMV ist der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen, und die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen. Gemäß Artikel 81 Absatz 3 zweiter Satz GMV, gilt der Antrag erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Voraussetzung nach Artikel 81 Absatz 3 erster Satz GMV, und zwar, dass der Antrag zu begründen ist, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind, ist jedoch nicht erfüllt.
Der Wiedereinsetzungsantrag ist nämlich unbegründet, da die Anmelderin nicht nachgewiesen hat, dass sie die nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt hat walten lassen.
In dieser Hinsicht ist festzuhalten, dass die Sorgfaltspflicht in erster Linie der Anmelderin obliegt. Wenn die Anmelderin also administrative Aufgaben delegiert, so muss sie darauf achten, dass die ausgewählte Person die gebotenen Garantien bietet, um annehmen zu können, dass die genannten Aufgaben ordnungsgemäß durchgeführt werden (vergleiche in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2012, T‑267/11, „VR“, Randnr. 19).
Im heutigen Geschäftsalltag stellt internationale Korrespondenz keine Außergewöhnlichkeit dar. Dies gilt umso mehr für den gegenständlichen Fall, zumal die Anmelderin auf ihrer Homepage auch die Lieferung ihrer Waren in das Ausland (Österreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich, Italien, Schweiz und in weitere Länder auf Anfrage) anbietet. Es ist daher anzunehmen, dass sie durchaus mit ausländischen – etwa spanischen – Kunden in Kontakt tritt bzw. jederzeit treten könnte. Ein Fax-E-Mail einzig auf Grund seines Betreffs und der ausländischen Vorwahl, ohne Überprüfung des Inhalts zu löschen, stellt daher eine Sorgfaltswidrigkeit dar.
Auch die Tatsache, dass in dem Unternehmen der Anmelderin täglich ca. 200 bis 250 Fax-E-Mails einlangen würden und es sich bei Fax-E-Mails ausländischer Absendenummern vermehrt um Spam handele, vermag die Löschung des die angefochtene Entscheidung enthaltenden Fax-E-Mails nicht zu rechtfertigen. Gerade ausländischem Schriftverkehr ist – zumal oft ausländische Kunden bzw. Geschäftspartner nicht die heimische Sprache fehlerfrei beherrschen — mit höherer Aufmerksamkeit entgegenzutreten. Anders wäre es jedoch, wenn eine spezifische ausländische Absendenummer aufgrund regelmäßiger Spammails bereits offenkundig als Spamabsender bekannt ist. Darüber hinaus sind 200 bis 250 Fax-E-Mails für ein deutschlandweites – mit Versand in das Ausland – tätiges Unternehmen nicht sonderlich viel.
Dem Vorbringen, eine Bürokraft hätte es – angesichts der Beendigung ihres Vertragsverhältnisses bei dem Unternehmen der Anmelderin – unterlassen, die neue für den Empfang und die Weiterleitung von Fax-E-Mails zuständige Angestellte gehörig in ihre Aufgabenbereiche einzuweisen, wird nicht gefolgt. Denn es obliegt der Anmelderin, für eine funktionierende interne Unternehmensstruktur zu sorgen.
In diesem Zusammenhang wurde von der Anmelderin auch nicht vorgetragen, welche Instruktionen hinsichtlich der Löschung von Fax-E-Mails der ehemaligen und schließlich auch der neuen Bürokraft von der Anmelderin an sich erteilt wurden bzw. wie im Allgemeinen mit „verdächtigen“ oder ausländischen Fax-E-Mails umzugehen sei. Letztlich ist die Löschung des verfahrensgegenständlichen Schreibens aufgrund mangelnder Sorgfalt daher der Anmelderin zuzurechnen.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Vorlage der Beschwerdeschrift wird somit nicht stattgegeben.
Ergebnis
Die Beschwerde ist gemäß Artikel 60 GMV in Verbindung mit Regel 49 Absatz 1 GMDV als unzulässig zurückzuweisen.
Kosten
Nachdem die Anmelderin mit ihrer Beschwerde erfolglos war, hat sie gemäß Artikel 85 Absätze 1 und 2 GMV und Regel 94 Absatz 1 GMDV die Kosten der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren zu tragen.
Aufgrund von Artikel 85 Absatz 6 Satz 1 GMV setzt die Beschwerdekammer in der Entscheidung über die Beschwerde auch die zu erstattenden Kosten fest, nämlich in Höhe von 550 EUR für die Kosten eines berufsmäßigen Vertreters gemäß Artikel 93 Absatz 1 GMV.
Tenor der Entscheidung
Aus diesen Gründen entscheidet
DIE KAMMER
wie folgt:
- Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wird nicht gewährt.
- Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
- Die Anmelderin hat die Kosten der Widersprechenden im Beschwerdeverfahren zu tragen, die auf 550 EUR fest gesetzt werden.