Sachverhalt
Am 11. Mai 2010 meldete der Beschwerdegegner die Wortmarke „wallunica“ als Gemeinschaftsmarke für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 16, 27, 35, 40 und 42 an, u.a. für folgende Dienstleistungen:
Klasse 35
Werbung; Einzel- und Großhandelsdienstleistungen auch über das Internet mit Tapeten, Papier, Pappe, Druckereierzeugnisse, Fotografien, digitale Drucke; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über den An- und Verkauf von Waren; Vermittlung von Verträgen für Dritte, über die Erbringung von Dienstleistungen; Waren- und Dienstleistungspräsentationen; Waren- und Dienstleistungspräsentationen; elektronische Satzbearbeitung; digitales Archivieren von Daten in Form von Bildern, Objekten, Texten, Informationen und Daten in Datenbanken.
Die Beschwerdeführerin legte Widerspruch ein, den sie folgende ältere Marken stützte:
a)
Gemeinschaftsmarke Nr. 2 555 571 für das Wort „Wall“ angemeldet am 30. Januar 2002 und eingetragen am 18. Mai 2004, verlängert bis 30. Januar 2022, für u.a. folgende Dienstleistungen:
Klasse 35
Dienstleistungen der Werbung für Dritte, Vermittlung und Beratung im Bereich von Werbung.
b)
Gemeinschaftsmarke Nr. 8 939 787 für die Bildmarke in Schwarz-Weiß angemeldet am 9. März 2010 und eingetragen am 24. August 2010, für u.a. folgende Dienstleistungen:
Klasse 35
Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Entwicklung von Werbe- und Marketingkonzepten; Plakatanschlagwerbung; Planung und Gestaltung von Werbemaßnahmen für Dritte, auch in Form interaktiver Werbung; Verkaufsförderung für Dritte; Plakatflächenvermarktung für Dritte; Vermietung von Werbeflächen, insbesondere auf Stadtmöbeln, im Internet und in sonstigen neuen Medien; Austausch von Werbeplakaten auf Plakatanschlagsäulen, beleuchtbaren Plakatwerbeflächen und anderen Stadtmöbeln; Verteilung und Verbreitung von Werbematerial und Warenproben zu Werbezwecken; PublicRelations; Durchführung und Veranstaltung sowie organisatorische Projektplanung und organisatorisches Projektmanagement für Werbung und von Werbeauftritten für Unternehmen; Verbreitung von Werbebotschaften und ‑informationen, über das Internet, Wireless LAN und mittels Telekommunikation auf stationäre Bildschirmterminals.
Den Widerspruch begründete die Beschwerdeführerin mit dem Vorliegen von Verwechslungsgefahr, Artikel 8 (1) (b) GMV. Sie beschränkte den Widerspruch auf die in Rdnr. 1 aufgeführten Dienstleistungen der angegriffenen Anmeldung und stütze ihn ausdrücklich nur auf die in Rdn. 2 genannten Dienstleistungen der älteren Marken.
Mit Entscheidung vom 6. Juni 2012 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch zurück und legte der Beschwerdeführerin die Kosten auf.
Die Widerspruchsabteilung verneinte eine Verwechslungsgefahr. Die Dienstleistungen seien teilweise identisch, teilweise unähnlich. Die Zeichen stimmten visuell und klanglich in den Buchstaben „Wall“ überein. Sie unterschieden sich jedoch deutlich aufgrund des zusätzlichen Bestandteils „-unica“ der angefochtenen Anmeldung sowie des graphischen Elements am Anfang der Widerspruchsmarke unter Rdnr. 2 b). Begrifflich habe „wallunica“ in keiner der relevanten Sprachen eine Bedeutung. „Wall“ bezeichne im Deutschen eine Aufschüttung von Erde oder Steinen und im Englischen eine Mauer.
Insoweit seien die Zeichen begrifflich unähnlich oder könne ein begrifflicher Vergleich nicht durchgeführt werden. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marken sei normal. Trotz der Gemeinsamkeit der Zeichen aufgrund der Übereinstimmung in dem Element „Wall“ sei aufgrund der deutlich unterschiedlichen Länge der Zeichen eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.
Die angefochtene Marke sei ein Phantasiewort, in dem die Buchstabenfolge „wall“ keine selbständig kennzeichnende Stellung einnehme. Überdies sei die erhöhte Aufmerksamkeit der angesprochenen Fachverkehrskreise verwechslungsmindernd zu berücksichtigen. Hinsichtlich der unähnlichen Dienstleistungen fehle es bereits an einer Grundvoraussetzung für die Annahme einer Verwechslungsgefahr.
Beschwerdegründe
Mit der am 19. Juli 2012 eingelegten und am 8. Oktober 2012 begründeten Beschwerde verfolgt die Widersprechende ihren Widerspruch weiter, soweit er im Hinblick auf die Dienstleistungen der angefochtenen Anmeldung „Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Waren- und Dienstleistungspräsentationen“ zurückgewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung der Widerspruchsabteilung insoweit aufzuheben, dem Widerspruch für diese Dienstleistungen stattzugeben und dem Beschwerdegegner die Kosten aufzuerlegen.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sind die Zeichen visuell und klanglich hochgradig ähnlich. Beide enthielten das übereinstimmende Element „Wall“. Diesem schenkten die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund seiner Stellung am Wortanfang des jüngeren Zeichens eine größere Aufmerksamkeit. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Verkehrskreise aus Gründen der besseren Merkbarkeit die Anmeldung auf den Bestandteil „Wall“ verkürzten. Bei dem weiteren Bestandteil „unica“ der angefochtenen Anmeldung handele es sich um eine rein werbliche Anpreisung, die sich an die Begriffe „Unikat“ bzw. „Unikum“ anlehne und somit auf die „Einzigartigkeit“, „Besonderheit“ anspiele.
Aufgrund der Identität der Dienstleistungen sowie der zumindest normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken bestehe selbst bei erhöhter Aufmerksamkeit der Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Widerspruchsabteilung hat zu Recht eine Verwechslungsgefahr gemäß Artikel 8 (1) (b) GMV verneint.
Zur Gemeinschaftsmarke Nr. 2 555 571 „Wall“
Die sich aufgrund der Einschränkung der Beschwerde auf die Dienstleistungen „Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Waren- und Dienstleistungspräsentationen“ gegenüberstehenden Werbedienstleistungen sind identisch und richten sich an den Fachverkehr. Da die ältere Marke eine Gemeinschaftsmarke ist, ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf die Auffassung der Verbraucher in der Europäischen Union abzustellen.
Zum Vergleich der Zeichen
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken in Schriftbild, Klang und Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Art von Waren oder Dienstleistungen wirkt.
Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die Einzelheiten (Urteile vom 22. Juni 1999, C‑342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 25; und vom 6. Oktober 2005, C‑120/04, „Thomson Life“, Rdn. 28).
Bei einer aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzten Marke bedeutet die Beurteilung der Markenähnlichkeit nicht, dass es genügt nur einen Bestandteil zu berücksichtigen und diesen mit der anderen Marke zu vergleichen. Vielmehr sind die sich einander gegenüberstehenden Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervor gerufenen Gesamteindruck prägend sein können (Urteil vom 6. Oktober 2005, C‑120/04, „Thomson Life“, Rdn. 29; Beschluss vom 28. April 2004, C‑3/03, „Matratzen“, Rdn. 32).
Es stehen sich zwei Wortmarken „wallunica“ und “Wall“ gegenüber. Die ältere Marke „Wall“ bedeutet im Englischen „Mauer“, im Deutschen eine „Aufschüttung von Steinen“. Im Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Werbedienstleistungen kommt dem Begriff keine beschreibende Bedeutung zu.
Bei der angefochtenen Marke handelt es sich um einen Phantasiebegriff, den die angesprochenen Verkehrskreise als Gesamtbegriff wahrnehmen. Zu einer Aufspaltung in die Elemente „wall“ und „unica“ besteht selbst für die englisch-oder deutschsprachigen Verbraucher, die in dem Element „wall“ eine Bedeutungerkennen, kein Anlass, weil „unica“, wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt, jedenfalls in diesen Sprachen ein Phantasiebegriff ist.
Schriftbildlich stimmen die Zeichen in der Buchstabenfolge „wall“, mithin in 4 von 9 Buchstaben der angefochtenen Anmeldung, überein. Da beide Marken als Wortmarken geschützt sind, kommt es auf eine Groß- oder Kleinschreibung nicht an. „wallunica“ ist außerdem mehr als doppelt so lang wie „Wall“, was trotz der Übereinstimmung am Wortanfang insgesamt zu einem unterdurchschnittlichen Grad an schriftbildlicher Ähnlichkeit führt.
Dies gilt auch in klanglicher Hinsicht. Es stehen sich die Wörter /wal/lu/ni/ca/ und /wall/ gegenüber. Trotz weitgehender Übereinstimmung in der ersten Silbe unterscheiden sich die Zeichen deutlich in der Silbenzahl, nämlich eine Silbe vs. vier Silben und damit in der Zeichenlänge und im Sprech- und Betonungsrhythmus. Die angesprochenen Verbraucher haben auch keine Veranlassung, die angefochtene Marke bei mündlicher Benennung auf das Wort „wall“ zu verkürzen. Dem steht bereits die Silbentrennung als „wal-lu-ni-ca“ entgegen, die zur Folge hat, dass die Buchstaben „wall“ klanglich nicht als zusammengehörig wahrgenommen werden. Damit ist die klangliche Ähnlichkeit ebenfalls unterdurchschnittlich.
In begrifflicher Hinsicht hat die angefochtene Anmeldung keine Bedeutung. Somit sind die Zeichen nicht begrifflich ähnlich, selbst für deutsch- oder englischsprachige Verbraucher, die der älteren Mark e „Wall“ eine Bedeutung beimessen. Auch diese Verbraucher nehmen die Anmeldung als Gesamtbegriff wahr und nicht als Zusammensetzung der Elemente „wall“ und „unica“. Für die übrigen Verbraucher bleibt der begriffliche Vergleich neutral.
Zur Verwechslungsgefahr
Nach Artikel 8 (1) (b) GMV ist auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt, wobei die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr einschließt, dass die Anmeldung mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird. Eine Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (Urteile vom 22. Juni 1999, C‑342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 19; und vom 29. September 1998, C‑39/97, „Canon”, Rdn. 17).
Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Diese Beurteilung impliziert eine bestimmte Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit diesen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil vom 22. Juni 1999, C‑342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 18 und 19).
Der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist eine durchschnittliche inhärente Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zugrunde zu legen. Das Wort „Wall“ hat für die geschützten Dienstleistungen weder im Deutschen noch im Englischen eine beschreibende Bedeutung. Den Nachweis einer durch intensive Benutzung gesteigerten Kennzeichnungskraft hat die Beschwerdeführerin nicht erbracht.
Im Bereich der verfahrensgegenständlichen Werbedienstleistungen ist von einem erhöhten Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Fachverkehrskreise auszugehen.
In der Gesamtabwägung besteht unter Berücksichtigung der unterdurchschnittlichen visuellen und klanglichen Ähnlichkeit der Zeichen und der normalen Kennzeichnungskraft der älteren Marke selbst für identische Dienstleistungen keine Gefahr von Verwechslungen. Dies gilt erst recht für das hier relevante Fachpublikum, das im Bereich der einschlägigen Dienstleistungen eine erhöhte Aufmerksamkeit aufwendet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die angefochtene Anmeldung als Gesamtbegriff wahrgenommen wird, bei dem die Buchstabenfolge „wall“ nicht selbständig kollisionsbegründend hervortritt. Die angesprochenen Verbraucher werden weder auf eine gemeinsame betriebliche Herkunft der jeweils gekennzeichneten Dienstleistungen schließen noch die jüngere Marke für eine Untermarke der älteren (zu dieser Möglichkeit Urteil vom 6. Oktober 2004, T‑117/03, „NL“, Rdn. 51) halten.
Zur Gemeinschaftsmarke Nr. 8 939 787
Auch hinsichtlich der älteren Gemeinschaftsmarke besteht keine Verwechslungsgefahr. Aufgrund der grafischen Ausgestaltung sind in visueller Hinsicht die Zeichenunterschiede zwischen der angefochtenen Anmeldung und dieser Marke noch größer, so dass der Grad der Zeichenähnlichkeit insgesamt geringer ausfällt als bei der älteren Gemeinschaftsmarke „Wall“.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Kosten
Die Beschwerdeführerin ist in beiden Instanzen unterlegen und hat gemäß Artikel 85 (1) GMV die Kosten des Widerspruchsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Kostenfestsetzung
Gemäß Artikel 85 (6) GMV und Regel 94 (1), (6) und (7) GMDV setzt die Beschwerdekammer die Kosten zugunsten der obsiegenden Partei fest. Diese bestehen aus den Vertretungskosten für das Widerspruchsverfahren in Höhe von 300 EUR gemäß Regel 94 (7) (d) (ii) GMDV und den Vertretungskosten für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 550 EUR gemäß Regel 94 (7) (d) (vi) GMDV, zusammen 850 EUR.
Tenor der Entscheidung
Aus diesen Gründen entscheidet DIE KAMMER wie folgt:
- Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Widerspruchsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens.
- Der Betrag der von der Beschwerdeführerin an den Beschwerdegegner zu erstattenden Kosten für das Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren wird auf 850 EUR festgesetzt.