Google muss immer mehr Verant­wortung übernehmen

Lange konnte Google sich hinter seinem Charakter als Suchma­schine verstecken und war damit bei vielen recht­lichen Aspekten fein raus. Langsam bröckelt diese Vertei­di­gungs­stra­tegie, denn die Gerichte erkennen, welche Tragweite eine Suchma­schine bei der Auffind­barkeit und damit der Verbreitung von Inhalten hat. Ohne Google — mit nahezu 95% Markanteil in Deutschland — würde der meiste Inhalt der deutschen Webseiten nicht gefunden werden und in der Masse unter­gehen. Erst die Recher­chier­barkeit mit Hilfe von Suchma­schinen nach Suchbe­griffen sorgt dafür, dass Inhalt auch gefunden wird.

In einer aktuellen Entscheidung des Landge­richtes Köln vom 16. September 2015 unter dem Az. 28 O 14/14 musst es sich mit der Frage beschäf­tigen, ob bei Persön­lich­keits­ver­let­zungen Google auf Unter­lassung bezüglich der Anzeige im Suchergebnis in Anspruch genommen werden kann und hat dies im Kern bejaht.

Gleich­zeitig gingen die Richter auch auf zwei andere wesent­liche Fragen ein.

  1. Wer ist der richtige Beklagte?
  2. Sind deutsche Gerichte für alle Google Angebote zuständig?

Bezüglich der ersten Frage sahen die Richter bei der in Deutschland ansäs­sigen Google Tochter „Google Deutschland GmbH“ jeden­falls keine Verant­wort­lichkeit für das Betreiben der Suchmaschine.
„Insofern tritt unstreitig – auch in ihrem Impressum — allein die Beklagte zu 1) [Google Inc.] als Betrei­berin der Suchma­schinen auf, während die Beklagte zu 2) [Googel Deutschland GmbH] ausweislich des Handels­re­gis­ter­auszugs (Anlage K 20) lediglich einen daran anknüp­fenden Geschäfts­ge­gen­stand verfolgt, mithin in keiner Beziehung zu der Suchma­schine steht und nicht die erfor­der­liche Einwir­kungs­mög­lichkeit auf diese hat.“
Auch wenn es für den Klageweg sicher erfreulich wäre, wenn die deutsche Tochter­ge­sell­schaft in die Verant­wortung genommen werden könnte, ist die Entscheidung des Gerichtes nachvollziehbar.
Bei der zweiten Frage ist das Gericht ebenfalls zu einer diffe­ren­zierten Entscheidung gekommen. So verneint es seine Zustän­digkeit für Suchab­fragen die über google.com erfolgen und beschränkt sie auf solche auf google.de.

Die inter­na­tionale Zustän­digkeit des deutschen Gerichtes bejahen die Richter insoweit die als rechts­ver­letzend beanstan­deten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen, insbe­sondere aufgrund des Inhalts der beanstan­deten Meldung.
„Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kennt­nis­nahme von der beanstan­deten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher­liegt als dies aufgrund der bloßen Abruf­barkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Kläger behauptete Beein­träch­tigung seines Persön­lich­keits­rechts durch Kennt­nis­nahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde (BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10).“
Bei der Webseite google.com sah das Gericht dies nicht gegeben, denn diese ist – wie auch weitere Länder­portale — zwar auch von Rechnern aus Deutschland aus erreichbar, aufgrund techni­scher Vorkeh­rungen werden aber Besucher aus Deutschland bei Eingabe der URL google.com automa­tisch auf google.de umgeleitet. Um die Suchma­schine google.com benutzen zu können, bedarf es weiterer bewussten Schritts durch den Nutzer, der im Anschluss an die automa­tische Weiter­leitung die Anzeige der Seite google.com anwählen kann. Das Gericht ging zwar davon aus, das die Suchma­schine unter google.com zwar auch in Deutschland genutzt werden kann, es sei aber nicht ersichtlich, inwiefern Nutzer im Zusam­menhang mit einer Suchan­frage betreffend die Kläger und die entspre­chenden Foren, auf denen die angegrif­fenen Äußerungen zu finden sind, – somit rein inlän­di­schen Sachver­halten – diese Option verwenden würden. Deshalb seien die Voraus­set­zungen, unter denen eine inter­na­tionale Zustän­digkeit auch für diese Suchma­schine denkbar wäre, nicht gegeben.
Hier ist dem Gericht zu wider­sprechen, denn einer­seits nutzen viele, die eine nicht auf Deutschland beschränkte Ergeb­nisse bei Ihrer Suche wollen, die Möglichkeit auf die google.com Seite auszu­suchen. Zum anderen kann somit jeder, mögli­cher­weise in Deutschland unter­sagte Suchergeb­nisse, durch eine Recherche auf google.com finden – ein entspre­chendes Urteil ließ sich mithin leicht umgehen.

In der entschei­denden Frage hat das Gericht gegen die Mutter­ge­sell­schaft Google Inc. den Unter­las­sungs­an­spruch bejaht.

Dabei sahen die Richter keine Haftung als Betrei­berin einer Suchma­schine für das Auffind­bar­machen von Inter­net­seiten Dritter bzw. den dort enthal­tenen Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen als unmit­telbare Störerin im äußerungs­recht­lichen Sinne.

„Denn durch die automa­tisch ablau­fende Indexierung und Darstellung der Suchergeb­nisse (nebst etwaiger Snippets) wird grund­sätzlich weder eine eigene Behauptung der Beklagten zu 1) getroffen, noch macht diese sich die Äußerungen eines Dritten auf einer Inter­net­seite zu Eigen. Denn insofern versteht der Nutzer der Suchma­schine diese Äußerungen – soweit sie überhaupt bei der Darstellung der Suchergeb­nisse auftauchen — nicht als Bekun­dungen des Suchmaschinenbetreibers.“

Die Kammer kam aber zur Auffassung, dass die Beklagte als Betrei­berin einer Suchma­schine als echte Störerin haftet.

„Danach ist als Störer verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgend­einer Weise willentlich und adäquat kausal zur Beein­träch­tigung des Rechtsguts beiträgt (BGH, Urteil vom 25.10.2011 m.w.N.).“

Ein Verschulden ist bei dem relevanten Beitrag des Suchma­schi­nen­be­treibers nicht erfor­derlich. Aber was ist der Beitrag? Das Gericht sah ihn der Eröffnung der grund­le­genden Möglichkeit zur Kennt­nis­nahme entspre­chender Äußerungen für Nutzer der Suchma­schine den Beitrag des Suchmaschinenbetreibers.

Ohne das Zutun der Beklagten oder anderer Suchma­schinen können die auf den Foren­seiten getätigten Äußerungen lediglich von denje­nigen wahrge­nommen werden, welche die entspre­chenden Inter­net­seiten selbst regel­mäßig aufsuchen und durch­suchen. Aber durch die die Aufnahme in den Suchindex der Suchma­schine und die Zuordnung zu den betref­fenden Personen und Schlag­worten wird die Kennt­nis­nahme einer Vielzahl weiterer Personen ermög­licht. Die Indexierung erweitert den Perso­nen­kreis, der die Infor­ma­tionen finden kann auch auf solche, welche nur vage Infor­ma­tionen über den Ort der Inter­net­seite und den Inhalt der Aussagen haben.

Das Gericht stellt klar, dass diese Funkti­ons­weise der Suchma­schine ein nicht grund­legend zu kriti­sie­rendes Geschäfts­modell darstellt, aber damit die Möglichkeit einhergeht, dass an der passiven Verbreitung durch Dritte getätigter Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen mitge­wirkt wird.

Wenn man diese Funkti­ons­weise zusammen mit dem Geschäfts­model im Auge hat, dass besteht die Notwen­digkeit, die Störer­haftung auch auf Suchma­schi­nen­be­treiber für die Indexierung von Inter­net­seiten zu erstrecken.
Dem sind aber Grenzen zu setzen und daher beschränkt sich die Haftung auf die Verletzung zumut­barer Verhal­tens­pflichten, insbe­sondere Prüfungspflichten.

„Deren Bestehen wie deren Umfang richtet sich im Einzelfall nach einer Abwägung aller betrof­fenen Inter­essen und relevanten recht­lichen Wertungen. Überspannte Anfor­de­rungen dürfen im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Betrieb einer Suchma­schine um eine erlaubte Teilnahme am geschäft­lichen Verkehr handelt, nicht gestellt werden. Der Betreiber einer Suchma­schine ist danach grund­sätzlich nicht verpflichtet, die nach Eingabe eines Suchbe­griffs angezeigten Suchergeb­nisse generell vorab auf etwaige Rechts­ver­let­zungen zu überprüfen. Dies würde den Betrieb einer Suchma­schine mit dem Ziel einer schnellen Recher­che­mög­lichkeit der Nutzer unzumutbar erschweren.“

Anders sieht es jedoch dann aus, wenn der Suchma­schi­nen­be­treiber Kenntnis von der Rechts­ver­letzung innerhalb seines Suchergeb­nisses erlangt hat. Sobald eine Betrof­fener den Suchma­schi­nen­be­treiber auf eine Verletzung seines Persön­lich­keits­rechts durch Dritte hinweist, kann der Suchma­schi­nen­be­treiber wie ein Hostpro­vider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verlet­zungen zu verhindern.

Für die praktische Handhabung weisen die Richter darauf hin,

„dass der Betreiber einer Suchma­schine im Gegensatz etwa zu einem Blogbe­treiber, für den der Bundes­ge­richtshof ein Anhörungs­ver­fahren statuiert hat, regel­mäßig in keiner Beziehung zu dem Dritten steht, somit von ihm auch nicht die Einholung einer Stellung­nahme verlangt werden kann. Damit obliegt es regel­mäßig dem Suchma­schi­nen­be­treiber, über die Begrün­detheit des Löschungs­ge­suchs auf Grundlage des einsei­tigen Vortrags bei der Inkennt­nis­setzung zu entscheiden. Damit ist der Hinweis jedoch so konkret zu fassen, dass der Rechts­verstoß auf der Grundlage der Behaup­tungen des Betrof­fenen unschwer – d.h. ohne einge­hende recht­liche und tatsäch­liche Überprüfung – bejaht werden kann.“

Im konkreten Fall hat das Gericht die seitens des Klägers erfolgten Ausfüh­rungen gegenüber dem Suchma­schi­nen­be­treiber als ausrei­chend erachten. Aus den Ausfüh­rungen ergibt sich aber, dass hier bei Schreiben an die Suchma­schi­nen­be­treiber möglichst genau, ausführlich und unter Beifügung von detail­lierten Infor­ma­tionen gearbeitet werden sollte, damit dem Adres­saten eine Überprüfung und Abwägung ermöglich wird.

Der Kläger hatte auch den Einsatz eines Suchfilters für die von ihm formu­lierten Suchbe­griffe beantragt, schei­terte aber mit der damit einher­ge­henden Umkehrung der Inkenntnissetzungslast.
In Anlehnung an die BGH- Recht­spre­chung im Fall „autocom­plete“, bei der dieser die Beklagte sogar als unmit­telbare Störerin ansah, lehnt das Gericht eine überspannte Anfor­derung im Hinblick auf solch einen Suchfilter ab, da es sich bei dem Betrieb einer Suchma­schine um eine erlaubte Teilnahme am geschäft­lichen Verkehr handelt. Google trifft keine allge­meine Verant­wort­lichkeit für jegliche Vorgänge im Internet und insbe­sondere nicht für solche Vorgänge, zu denen sie – im Gegensatz zu den Klägern selbst – in keinerlei Beziehung steht.

Das Gericht erachtet die Inanspruch­nahme als Störer im Hinblick auf die wechsel­sei­tigen Inter­essen als ausreichend.

In der Summe ein sehr spannendes Urteil, welches den Betrof­fenen von Persön­lich­keits­rechten mehr Rechts­si­cherheit gibt. Haben Sie Fragen zu dem Thema oder werden von Ihnen im Internet persön­lich­keits­recht­ver­let­zende Äußerungen verbreitet kontak­tieren sie uns, wir beraten Sie gern und setzen Ihre Rechte durch.