BPATG: Arthro­mobil ist ausrei­chend kreativ um schutz­fähig zu sein

Der 30. Senat des Bundes­pa­tent­ge­richtes senkt die Anfor­de­rungen an die Schutz­fä­higkeit weiter. Die ungewöhn­liche Kombi­nation des altgrie­chi­schen und üblicher­weise in fachsprach­lichen Zusam­men­set­zungen verwen­deten Wortbil­dungs­ele­ments „Arthro“ mit dem in die deutsche Sprache einge­gan­genen latei­ni­schen Wort „mobil“ begründet eine neuartige Wortkom­bi­nation, die aus sich heraus originell und insoweit ohne Weiteres indivi­dua­li­sierend wirkt.

Beschluss

In der Beschwerdesache

- 30 W (pat) 30/13 — ´

betreffend die Marken­an­meldung 30 2013 016 228.5

hat der 30. Senat (Markenund Design-Beschwer­de­senat) des Bundes­pa­tent­ge­richts in der Sitzung vom 21. Mai 2015 unter Mitwirkung des Vorsit­zenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Merzbach sowie der Richterin Uhlmann

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmel­derin wird der Beschluss der Marken­stelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts vom 26. Juni 2013 aufgehoben.

Gründe

 Die am 8. Februar 2013 angemeldete Bezeichnung

Arthro­mobil

soll für folgende Waren in das Marken­re­gister einge­tragen werden:

„Klasse 5: Nahrungsergänzungsmittel“.

Nach vorhe­riger Beanstandung wegen absoluter Schutz­hin­der­nisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 MarkenG hat die Marken­stelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung mit Beschluss vom 26. Juni 2013 zurück­ge­wiesen, weil der Eintragung der angemel­deten Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren bereits das absolute Schutz­hin­dernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstehe.

Die Wortzu­sam­men­setzung „Arthro­mobil“ sei sprach­üblich aus dem Wort „Arthro“ für „Gelenk“ und „mobil“ für „beweglich, aktiv, fit“ gebildet und werde von den angespro­chenen Verkehrs­kreisen dahin­gehend verstanden, dass die so bezeich­neten Waren der Beweg­lichkeit bzw. der guten Verfassung der Gelenke dienten. Die angemeldete Bezeichnung weise in glatt beschrei­bender Form auf Art und Wirkungs­weise der beanspruchten Waren hin. In welcher Weise dies geschehe, müsse dabei nicht genau definierbar sein. Es komme auch nicht darauf an, ob der Begriff lexika­lisch nachweisbar sei oder häufig verwendet werde. Denn auch als Wortneu­schöpfung sei die angemeldete Bezeichnung nicht schutz­fähig, da sie sich aus beschrei­benden Begriffen zusam­men­setze, die auch in ihrer Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombi­nation hinaus­ge­henden Begriff bildeten. Eine Mehrdeu­tigkeit sei ebenfalls nicht erkennbar.

Die Anmel­derin hat Beschwerde eingelegt und im Wesent­lichen ausge­führt, dass „Arthro“ als Wortbil­dungs­element des griechi­schen Begriffs „Arthron“ nicht unmit­telbar und aus sich heraus verständlich sei, so dass der Verkehr diesen Bestandteil nicht ohne Weiteres als Hinweis auf „Gelenk“ verstehe. Der Kombi­nation mit „mobil“ könne dann aber die erfor­der­liche Unter­schei­dungs­kraft nicht angesprochen werden, zumal der Verkehr auch bei Nahrungs­er­gän­zungs­mitteln an die Verwendung sog. „sprechender Marken“ gewöhnt sei. Dementspre­chend seien eine Vielzahl von Marken mit dem Bestandteil „Arthro“ im Marken­re­gister eingetragen.

Die Anmel­derin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Marken­stelle für Klasse 05 des Deutschen Patentund Markenamts vom 26. Juni 2013 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzel­heiten wird auf den Akten­inhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmel­derin hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des vorlie­genden Wortzei­chens „Arthro­mobil“ als Marke steht kein absolutes Schutz­hin­dernis, insbe­sondere auch nicht das der fehlenden Unter­schei­dungs­kraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

1.) Unter­schei­dungs­kraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewoh­nende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unter­schei­dungs­mittel aufge­fasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienst­leis­tungen als von einem bestimmten Unter­nehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denje­nigen anderer Unter­nehmen unter­scheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012,610(Nr. 42)Freixenet; GRUR 2008,608, 611 (Nr. 66) EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) – Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Haupt­funktion einer Marke besteht darin, die Ursprungs­iden­tität der gekenn­zeich­neten Waren oder Dienst­leis­tungen zu gewähr­leisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) – Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 Stand­beutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unter­schei­dungs­kraft ein Eintra­gungs­hin­dernis begründet, ist nach der Recht­spre­chung des Bundes­ge­richts­hofes ein großzü­giger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unter­schei­dungs­kraft genügt, um das Schutz­hin­dernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unter­schei­dungs­kraft sind einer­seits die beanspruchten Waren oder Dienst­leis­tungen und anderer­seits die Auffassung der betei­ligten inlän­di­schen Verkehrs­kreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal infor­mierten, angemessen aufmerk­samen und verstän­digen Durch­schnitts­ver­brau­chers bzw. ‑abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken insbe­sondere dann keine Unter­schei­dungs­kraft, wenn ihnen die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise lediglich einen im Vorder­grund stehenden beschrei­benden Begriffs­inhalt zuordnen(vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) Postkantoor; BGH GRUR 2014, 1204,1205 (Nr. 12) – Düssel­dorf­Con­gress; GRUR 2012, 270, 271 (Nr. 11) Link economy; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) DeutschlandCard).

Darüber hinaus kommt nach ständiger Recht­spre­chung auch solchen Zeichen keine Unter­schei­dungs­kraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienst­leis­tungen zwar nicht unmit­telbar betreffen, durch die aber ein enger beschrei­bender Bezug zu diesen herge­stellt wird (vgl. BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) – Düssel­dorf­Con­gress; GRUR 2012, 1143, 1144 (Nr. 9) – Starsat; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) – Deutsch­landCard; GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 19) FUSSBALL WM 2006).

 

2.) Unter Berück­sich­tigung dieses recht­lichen Hinter­grunds kann vorliegend entgegen der von der Marken­stelle vertre­tenen Auffassung nicht festge­stellt werden, dass das Wortzeichen „Arthro­mobil“ dem Schutz­hin­dernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG unterliegt.

Die Marken­stelle ist aller­dings zutreffend davon ausge­gangen, dass die angemeldete Marke aus den Elementen „Arthro“ und „mobil“ zusam­men­ge­setzt ist. Bei „Arthro“, herge­leitet von dem (alt)griechischen Wort „arthron“, handelt es sich um ein Wortbil­dungs­element bzw. ein Kurzwort mit der Bedeutung „Gelenk“ (vgl. DUDEN; Das große Fremd­wör­terbuch, 4. Aufl. 2007, S. 144), welches im inlän­di­schen Sprach­ge­brauch im Zusam­menhang mit Fachbe­griffen wie z. B. Artho­skopie, Arthrose oder Arthro­plastik Verwendung findet (vgl. DUDEN, Deutsches Univer­sal­wör­terbuch, 7. Aufl. 2011, S. 183). Auch wenn „Arthro“ nicht so bekannt ist wie z. B. die ebenfalls aus dem Griechi­schen stammenden Wortbil­dungs­ele­mente „Ortho“ für „Ortho­pädie, ortho­pä­disch“ (vgl. DUDEN , Deutsches Univer­sal­wör­terbuch, 7. Aufl. 2011, S. 1295) oder „derma“ für „Haut“ (DUDEN, a. a. O., S. 409), wird der angespro­chene Verkehr, zu dem auch Fachkreise gehören (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) Matratzen Concord/Hukla), angesichts der lexika­li­schen Nachweis­barkeit dieses Begriffs sowie der darge­legten Verwendung in Fachbe­griffen den Bedeu­tungs- und Sinngehalt von „Arthro“ ohne Weiteres verstehen.

Das zweite Zeichen­element „mobil“ ist das ursprünglich aus dem Latei­ni­schen stammende Wort „mobil“, das als Eigen­schaftswort für „beweglich“ in der deutschen Sprache im Gebrauch ist, aber auch in dem Sinn verwendet wird, dass eine Dienst­leistung vor Ort erfolgt (vgl. Duden, Deutsches Univer­sal­wör­terbuch, 7. Aufl. 2011, S. 1203).

Verstehen danach jeden­falls der Fachverkehr sowie fachlich inter­es­sierte Kreise den Sinngehalt beider Zeichen­ele­mente, so werden diese auch – worauf die Marken­stelle zutreffend hinge­wiesen hat einen beschrei­benden Bezug zu den beanspruchten Waren herstellen.

Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemel­deten Bezeichnung die Schutz­fä­higkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutz­hin­der­nisses bemisst sich nämlich nicht nur danach, ob etwaige Wortbe­stand­teile für sich betrachtet unter­schei­dungs­kräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestand­teile entstan­denen Gesamt­zeichen die Eignung zur betrieb­lichen Herkunfts­kenn­zeichnung fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 99Postkan-toor; GRUR 2004, 680, 681 (Nr. 40) BIOMILD; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11.          Aufl., § 8 Rdn. 196). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschrei­bender Sinngehalt eines Marken­wortes im Einzelfall durch eine hinrei­chend fanta­sie­volle Wortbildung soweit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erfor­der­liche Unter­schei­dungs­kraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. BGH GRUR 1995, 408, 409 PROTECH; BPatG GRUR 1997, 639, 640 – FERRO­BRAUSE; BPatG 24 W (pat) 124/06 derma fit, veröf­fent­licht auf der Inter­net­seite des Gerichts). Dies ist vorliegend zu bejahen.

Durch die ungewöhn­liche Aggre­gation des altgrie­chi­schen und üblicher­weise in fachsprach­lichen Zusam­men­set­zungen verwen­deten Wortbil­dungs­ele­ments „Arthro“ mit dem in die deutsche Sprache einge­gan­genen latei­ni­schen Wort „mobil“ entsteht eine neuartige Wortkom­bi­nation, die aus sich heraus originell und insoweit ohne Weiteres indivi­dua­li­sierend wirkt. Zur Ungewöhn­lichkeit trägt nicht zuletzt auch der Umstand bei, dass „mobil“ als nachge­stelltes Wortbil­dungs­element in vergleichbar gebil­deten und allgemein bekannten Begriffs­kom­bi­na­tionen wie z. B. „Rehamobil“, „Physio­mobil“, „Pflege­mobil“ oder „Bücher­mobil“ eine andere, vorliegend nicht in Betracht kommende Bedeutung als Hinweis auf eine vor Ort zu erbrin­gende Leistung bzw. auf ein entspre­chend ausge­rüs­tetes Fahrzeug besitzt (vgl.BPatG30 W (pat) 18/11– physio­mobil; BPatG 25 W (pat) 149/02 Rehamobil; BPatG 25 W (pat) 225/01 Pflege­mobil, alle veröf­fent­licht auf der Homepage des Gerichts). Zwar wird fachkun­digen Kreisen, insbe­sondere solchen Personen, die beruflich mit Produktion und/oder Handel von Nahrungs­er­gän­zungs­mitteln o. ä. Waren befasst sind, der beschrei­bende Aussa­ge­gehalt von „Arthro­mobil“ nicht verborgen bleiben. Auch insoweit ist aber davon auszu­gehen, dass der ungewöhn­liche sprach­liche Gesamt­ein­druck der angemel­deten Marke noch hinrei­chende Unter­schei­dungs­kraft im Sinne eines sprechenden Zeichens verleiht, zumal sowohl der Fachverkehr wie auch allge­meine Verkehrs­kreise nicht nur bei Arznei­mitteln, sondern auch bei Waren, die wie „Nahrungs­er­gän­zungs­mittel“ der Klasse 5 dem Gesund­heits­be­reich im weiteren Sinne zuzurechnen sind, damit vertraut sind, dass ihnen sprechende Marken begegnen, die über Wortbil­dungs­ele­mente verfügen, mit denen auf den Anwen­dungs­be­reich, die Indikation, den Wirkstoff o. ä. hinge­wiesen wird. Daher wird der Verkehr auch in der vorlie­genden, insgesamt ungewöhn­lichen Zeichen­bildung einen betrieb­lichen Herkunfts­hinweis erkennen.

 

3.) Im Hinblick auf ihre fanta­sie­volle Wortbildung unter­liegt die angemeldete Marke ungeachtet etwaiger beschrei­bender Anklänge auch keinem Freihal­te­be­dürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

4.) Die Beschwerde hat daher Erfolg.