HABM EU-Markenamt

Zwei “G”-Zeichen zum verwechseln ähnlich

In seiner Entscheidung vom 8. Mai 2012 hat die Vierte Kammer des Europäi­schen Gerichts­hofes eine Entscheidung der Beschwer­de­kammer des HABM bestätigt und damit eine Verwechs­lungs­gefahr zwischen den beiden folgenden Marken bestätigt.

Entscheidung Ersten Beschwer­de­kammer vom 15. Dezember 2010 In der Sache R 821/2010–1.

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Entschei­dungs­gründe

Die Beschwerde erfüllt die Anfor­de­rungen von Artikel 58, 59 und 60 GMV (ex Artikel 57, 58 und 59) in Verbindung mit Regeln 48 und 49 GMDV (Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durch­führung der GMV). Sie ist daher zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet. Es besteht in der Europäi­schen Union eine Verwechslungsgefahr.

Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b GMV

Nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b GMV ist auf Wider­spruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausge­schlossen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechs­lungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt. Dabei schließt die Gefahr von Verwechs­lungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

Nach ständiger Recht­spre­chung liegt eine Verwechs­lungs­gefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betref­fenden Waren oder Dienst­leis­tungen aus demselben Unter­nehmen oder gegebe­nen­falls aus wirtschaftlich mitein­ander verbun­denen Unter­nehmen stammen (siehe Urteile vom 11. November 1997 in der Rechts­sache C‑251/95 Sabèl BV/Puma AG, Rudolf Dassler Sport („Sabèl“) Slg. 1997, I‑6191, Randnr. 16–18; vom 29. September 1998 in der Rechts­sache C¬39/97 Canon Kabushiki Kaisha/­Metro-Goldwyn-Mayer, Inc., vormals Pathe Commu­ni­ca­tions Corpo­ration („Canon“) Slg. 1998, I‑5507, Randnr. 29; vom 22. Juni 1999 in der Rechts­sache C‑342/97 Lloyd Schuh­fabrik Meyer & Co. GmbH/Klijsen Handel BV („Lloyd Schuh­fabrik“) Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 17).

Zweck des durch die einge­tragene Marke gewährten Schutzes ist es, wie sich aus der achten Begrün­dungs­er­wägung der GMV ergibt, insbe­sondere die Herkunfts­funktion der Marke zu gewähr­leisten. Der Schutz erstreckt sich ebenfalls auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marken sowie Waren und Dienst­leis­tungen. Der Begriff der Ähnlichkeit ist im Hinblick auf die Verwechs­lungs­gefahr hin auszu­legen. Die Verwechs­lungs­gefahr stellt die spezi­fische Voraus­setzung für den Schutz dar; ob sie vorliegt, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbe­sondere dem Bekannt­heitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedank­lichen Verbindung, die das benutzte oder einge­tragene Zeichen hervor­rufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekenn­zeich­neten Waren und Dienstleistungen.

Nach dieser Recht­spre­chung ist das Vorliegen einer Verwechs­lungs­gefahr aus der Sicht der maßgeb­lichen Verkehrs­kreise und unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzel­falls, insbe­sondere der Wechsel­be­ziehung zwischen Zeichen­ähn­lichkeit, Produkt­ähn­lichkeit und Kennzeich­nungs­kraft, umfassend zu beurteilen (Urteil vom 9. Juli 2003 in der Rechts­sache T‑162/01 Labora­torios RTB, SL/HABM („Giorgio Beverly Hills“) Slg. 2003, II-2821, Randnr. 31 bis 33, mwN; Entschei­dungen der Beschwer­de­kammern vom 30. August 2004 in den Sachen R 821/2002–2 und R 506/2003–2 – M&M’s MINIS Röhre / Smarties Röhre).

Das relevante Publikum

Der Referenz­ver­braucher ist nach der Recht­spre­chung des Gerichtshofs ein normal infor­mierter und angemessen aufmerk­samer und verstän­diger Durch­schnitts­ver­braucher der relevanten Waren oder Dienst­leis­tungen (Urteile vom 16. Juli 1998 in der Rechts­sache C‑210/96 Gut Sprin­gen­heide GmbH und Rudolf Tusky/Oberkreisdirektor des Kreises Steinfurt – Amt für Lebens­mit­tel­über­wa­chung („Gut Sprin­gen­heide“) Slg. 1998, I‑4657, Randnr. 31; „Lloyd Schuh­fabrik“, a.a.O., Randnr. 26; vom 21. Oktober 2004 in der Rechts­sache C‑64/02 P HABM/Erpo Möbelwerk GmbH („Das Prinzip der Bequem­lichkeit“) Slg. 2004, I‑10031, Randnr. 43).

Die von den Marken erfassten Waren der Klasse 25 richten sich an ein allge­meines Publikum.

Da es sich bei der älteren Marke um eine Gemein­schafts­marke handelt, die gemäß Artikel 1 GMV einheit­liche Wirkung für die gesamte Gemein­schaft hat und als Instrument des Gemein­samen Marktes geschaffen wurde, ist auf die Verbraucher innerhalb des gesamten Gebiets der Europäi­schen Union als einem Wirtschaftsraum ohne nationale Grenzen abzustellen.

Vergleich der Waren

Die Betei­ligten stellen die Analyse der Wider­spruchs­ab­teilung nicht in Frage, nach der die von der angemel­deten Marke erfassten Waren der

Klasse 25 – Schuh­waren, Turnschuhe, Sport­schuhe, Freizeitschuhe

und von der älteren Marke gekenn­zeichnete Waren derselben Klasse identisch sind. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.

Vergleich der Zeichen

Bei der umfas­senden Beurteilung aller Umstände des Einzel­falls ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betref­fenden Marken im Bild, im Klang oder nach der Bedeutung auf den Gesamt­ein­druck abzustellen, den die Marken hervor­rufen, wobei insbe­sondere die sie unter­schei­denden und dominie­renden Elemente zu berück­sich­tigen sind. Aus dem Wortlaut des Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b GMV, wonach „für das Publikum die Gefahr von Verwechs­lungen besteht“, geht nämlich hervor, dass es für die umfas­sende Beurteilung der Verwechs­lungs­gefahr entscheidend darauf ankommt, wie die Marke auf den Durch­schnitts­ver­braucher dieser Art von Waren oder Dienst­leis­tungen wirkt („Sabèl“, a.a.O., Randnr. 17). Da es um den Schutz des Inhabers einer älteren Marke geht, kommt es dabei nicht darauf an, ob ein „nicht unerheb­licher Teil der maßge­benden Verkehrs­kreise“ die Marken für unähnlich hält.

Weiter ist festzu­stellen, dass der Durch­schnitts­ver­braucher eine Marke norma­ler­weise als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschie­denen Einzel­heiten achtet.

Beide Marken sind Bildmarken in Schwarzweiß und stimmen im Bild und dem Sinn nach darin überein, dass sie den großge­schrie­benen Buchstaben „G“ und hierzu diagonal ein Kreuz darstellen.

Sie weisen einige Unter­schiede auf. Die ältere Marke

enthält das Symbol „+“, welches sich, leicht von dem Buchstaben „G“ getrennt, oben rechts befindet.

Die angefochtene Marke

weist demge­genüber zwei, in den Buchstaben „G“ überge­hende Verzie­rungen auf, die sich von dem Buchstaben aus rechts oben und links unten befinden, nämlich oben rechts einen Pfeil und unten links ein Kreuz.

Die Wider­spruchs­ab­teilung argumen­tiert, dass es sich dabei um eine Anspielung auf die Symbole „?“ und „?“ handele. Ein solches Verständnis würde jedoch einen erheb­lichen Analy­se­aufwand bedeuten, den nur ein Teil der relevanten Verbraucher der hier zu prüfenden Waren bewusst aufbringen wird. Auch ist der relevante Verbraucher nicht daran gewöhnt, das Venus­symbol „?“ in Schräglage zu sehen.

Entgegen der Auffassung der Wider­spre­chenden ist in der angefoch­tenen Marke das Plussymbol „+“ zwar zunächst nicht klar erkennbar, da es eher wie ein gedrun­genes „x“ aussieht. Bei der Betrachtung der Zeichen darf aller­dings die Orien­tierung der einzelnen Zeichen­be­stand­teile nicht unberück­sichtigt bleiben. Die diagonal perspek­ti­vische Darstellung des Buchstabens „G“ in der älteren Marke führt dazu, dass das Kreuz bei Berück­sich­tigung der Verzerrung auch als Plussymbol, „+“, vielleicht auch als Teil von „?“ verstanden werden kann (s. oben Randnr. 23). In beiden Marken handelt es sich jeden­falls um ein Kreuz­zeichen, dessen Achsen einen rechten Winkel bilden und deren Seiten gleich lang sind. Auch unter­scheiden sich die Schrift­typen nur gering­fügig dadurch, dass der Buchsta­benstrich der älteren Marke durch Serife abgeschlossen wird.

Hinsichtlich des klang­lichen Vergleichs ist jeden­falls davon auszu­gehen, dass der Buchstabe „G“ in beiden Zeichen erkannt und identisch ausge­sprochen wird. Soweit in beiden Zeichen das Kreuz als „+“ gesehen wird, besteht auch insoweit eine klang­liche oder sogar eine konzep­tuelle Ähnlichkeit.

Ohne weitere Wertung in Bezug auf die Kennzeich­nungs­kraft der älteren Marke sind sich die beiden Marken wegen der Überein­stimmung in dem Buchstaben „G“ und der Darstellung eines Kreuzes insgesamt hochgradig ähnlich.

Kennzeich­nungs­kraft

Um die Kennzeich­nungs­kraft einer Marke zu bestimmen, hat die Kammer umfassend zu prüfen, wie geeignet die Marke ist, die Waren oder Dienst­leis­tungen, für die sie einge­tragen worden ist, von den betei­ligten Verkehrs­kreisen als von einem bestimmten Unter­nehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienst­leis­tungen von denen anderer Unter­nehmen zu unterscheiden.

Bei dieser Beurteilung sind insbe­sondere die Eigen­schaften zu berück­sich­tigen, die die Marke von Haus aus besitzt oder im Verkehr auf Grund der Inten­sität, der geogra­phi­schen Verbreitung und der Dauer der Benutzung dieser Marke erworben hat. Es ist offen­sichtlich, dass der Grad der Kennzeich­nungs­kraft einer Marke geringer ist, wenn die Marke produkt­be­schrei­bende oder übliche Elemente enthält, oder dass er größer ist, wenn die Marke von einem großen Teil des Verkehrs auf Grund eines großen Markt­an­teils und in Folge großen Werbe­auf­wands als einer bestimmten Quelle zugehörig erkannt wird (vgl. „Lloyd Schuh­fabrik“, a.a.O., Randnr. 22–23).

Die ältere Marke

ist eine Darstellung des Buchstabens „G“ und des Symbols „+“. Beide Elemente sind übliche Schrift­zeichen. Zwar mögen Zweifel daran bestehen, dass der angespro­chene Verbraucher den Einzel­buch­staben „G“ in Bezug auf die gegen­ständ­lichen Waren als Herkunfts­hinweis wahrnimmt. Die Kombi­nation des Buchstabens „G“ und des hochge­stellten Symbols „+“ hat aber im Hinblick auf die identi­schen Waren der Klasse 25, d.h. Schuh­waren, soweit ersichtlich keinerlei Bedeutung. Die Kennzeich­nungs­kraft der älteren Marke ist daher als normal einzu­stufen. Auf eine erhöhte Kennzeich­nungs­kraft durch Benutzung hat sich die Wider­spre­chende nicht berufen.

Verwechs­lungs­gefahr

Bei der umfas­senden Abwägung aller Umstände des Einzel­falls im Rahmen der Beurteilung der Verwechs­lungs­gefahr ist eine gewisse Wechsel­be­ziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbe­sondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekenn­zeich­neten Waren oder Dienst­leis­tungen zu berück­sich­tigen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekenn­zeich­neten Waren oder Dienst­leis­tungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausge­glichen werden und umgekehrt (siehe „Sabèl“, a.a.O., Randnr. 22; und „Canon“, a.a.O., Randnr. 16).

Die sich gegen­über­ste­henden Waren sind identisch. Die Vergleichs­zeichen sind bildlich, klanglich und begrifflich ähnlich, soweit sie in der Darstellung des Buchstabens „G“ und der eines Kreuzes überein­stimmen, sie weisen aber auch Unter­schiede auf.

Die Wider­spruchs­ab­teilung argumen­tiert, dass der Schutz­umfang für Einzel­buch­staben als Marke eng zu fassen sei. Andern­falls führe dies zum Verwechs­lungsfall mit jedem anderen Zeichen, welches diesen Buchstaben aufwiese.

33. Dabei übersieht sie aber offenbar, dass vorliegend die Zeichen nicht nur in der Darstellung des Buchstabens G, sondern auch in der Darstellung eines diagonal angeord­neten Kreuzes überein­stimmen. Zunächst ist kein Grund ersichtlich, warum der Einzel­buch­stabe „G“ von Haus aus eine geringere Unter­schei­dungs­kraft in Bezug auf die Waren haben sollte. Darüber hinaus handelt es sich nicht um einen Einzel­buch­staben in Allein­stellung, sondern einen Buchstaben in Kombi­nation mit anderen stark ähnlichen Elementen. Im Gedächtnis bleibt nicht der Einzel­buch­stabe „G“ alleine hängen, sondern das G mit einem diagonal angeord­neten Kreuz. Ob das Kreuz nun rechts oben (G+) oder links unten angeordnet ist (+G), verwischt in der Erinnerung, zumal durch den Pfeil der Platz neben dem +G oben rechts nicht leer bleibt, sondern durch ein Bildelement, nämlich ausge­füllt wird. Dieses Bildelement lässt sich als Pfeil­spitze beschreiben, deren Linien zudem, wie jene des Plussymbols der älteren Marke, einen rechten Winkel bilden.

Es handelt sich bei der Darstellung des Buchstabens „G“ und der eines Kreuzes um die dominie­renden Elemente der älteren Marke, die sich dem Betrachter unmit­telbar aufdrängen und die er im Gedächtnis behalten wird. Sie finden sich auch in der angefoch­tenen Marke wieder. Die Unter­schiede zwischen den Zeichen, d.h. die genaue Anordnung der Zeichen­be­stand­teile, die unter­schied­liche Schriftart und das zusätz­liche Element einer Pfeil­dar­stellung in der angefoch­tenen Marke, sind hingegen gering­fügig und bleiben im Gedächtnis der maßgeb­lichen Verkehrs­kreise nicht als wirkliche Unter­schei­dungs­merkmale haften. Insoweit unter­scheidet sich der Fall nicht wesentlich zu dem Sachverhalt, der dem Urteil vom 13. Juli 2004 in der Rechts­sache T‑115/02 AVEX Inc./HABM / ) Slg. 2004, II-2907 zugrunde lag.

Unter Berück­sich­tigung dieser Gesichts­punkte reichen daher die Unter­schiede zwischen den Zeichen nicht aus, um für identische Waren eine Verwechs­lungs­gefahr seitens der Verbraucher in der Europäi­schen Union auszu­schließen (vgl. „‘a’ in a black ellipse“, a.a.O., Randnr. 20 und 27).

Der Beschwerde ist somit statt­zu­geben und die Anmeldung zurückzuweisen.