Urheber­recht gegen Innovation ist es so einfach? Der Rechts­streit um KI-Trainings­daten vor dem Landge­richt Hamburg

Am 11. Juli 2024 verhan­delte das Landge­richt Hamburg im Fall Robert Kneschke gegen LAION e.V. über die Nutzung urheber­rechtlich geschützter Bilder zur Schulung von KI-Modellen. Im Mittel­punkt stand die Frage, ob das Urheber­recht dem techno­lo­gi­schen Fortschritt im Weg steht oder die Rechte von Künstlern geschützt werden müssen. Der Fall könnte zum Präze­denzfall für die Nutzung kreativer Inhalte in der KI-Entwicklung werden.

 

Obwohl ich selten bei Gerichts­ver­hand­lungen anwesend bin, weckte die Verhandlung am 11. Juli 2024 vor dem Landge­richt Hamburg mein Interesse, sodass ich die Zugfahrt von Berlin nach Hamburg auf mich nahm. Die Verhandlung zwischen dem Fotografen Robert Kneschke und LAION e.V. war aus der Perspektive eines Zuschauers faszi­nierend, aber auch angespannt. Es war schnell klar, dass es hier um weit mehr ging als nur um die Urheber­rechte eines einzelnen Fotografen. Schon zu Beginn lag eine spürbare Spannung im Raum, und auch die Zuschauer – viele aus den Bereichen Fotografie, Grafik­design und KI-Entwicklung – disku­tierten in den ersten Pausen lebhaft über die möglichen Folgen eines Urteils sowie die ethischen Fragen, die der Fall aufwirft.

 

Bereits während der Verhandlung zeigte sich, dass die Richter sich intensiv mit den techni­schen und juris­ti­schen Aspekten des Falles beschäf­tigten. Ein zentrales Thema war die Frage, ob LAION, eine Non-Profit-Organi­sation, gegen das Urheber­recht verstoßen hatte, indem sie Kneschkes Bilder im „LAION 5B“-Datensatz verwen­deten. Die Anwälte von LAION argumen­tierten, dass diese Nutzung durch das deutsche Urheber­recht und die EU-Richt­linie zum Text- und Data-Mining (TDM) gedeckt sei. Diese Regelungen erlauben die vorüber­ge­hende Speicherung und Analyse urheber­rechtlich geschützter Werke für Forschungs­zwecke, solange sie nicht dauerhaft gespei­chert werden. LAION betonte, dass sie keine Kopien der Bilder speicherten, sondern nur Links zu öffentlich zugäng­lichen Bildern im Internet nutzten.

 

Kneschkes Anwälte argumen­tierten jedoch, dass LAION aufgrund ihrer Zusam­men­arbeit mit kommer­zi­ellen Unter­nehmen wie Stability AI nicht mehr unter die TDM-Ausnahme fallen dürfe. Es war beein­dru­ckend zu beobachten, wie die Richter diese Argumente sorgfältig prüften. Besonders die Frage, ob LAION noch als gemein­nützig gelten könne oder ob die kommer­zi­ellen Partner­schaften diese Einordnung unter­graben, sorgte für intensive Diskussionen.

 

In den Pausen wurde unter den Zuschauern – Fotografen, Grafikern, Illus­tra­toren, Juristen und einigen Vertretern der KI-Branche – teils heftig debat­tiert. Einige meinten, dass Kneschkes Anliegen berechtigt sei, da Fotografen durch die Verwendung ihrer Werke ohne Vergütung wirtschaft­lichen Schaden erleiden. Andere entgeg­neten, dass KI nur durch den Zugang zu großen Daten­mengen Fortschritte machen könne und dass die Rechte von Fotografen in dieser neuen digitalen Welt flexibel gehandhabt werden müssten. „Wie soll Innovation funktio­nieren, wenn jeder Bildrech­te­inhaber das System blockieren kann?“, fragte ein Zuschauer, worauf ein anderer erwiderte: „Aber was ist mit den Künstlern? Wenn sie ihre Werke nicht mehr kontrol­lieren können, zerstören wir ihre Existenzgrundlage!“

 

Die Spannung im Gerichtssaal nahm zu, als die Richter die entschei­dende Frage stellten, ob künst­liche Intel­li­genzen urheber­rechtlich geschützte Werke „verviel­fäl­tigen“ oder ob ihre Nutzung im Rahmen der Entwicklung von KI-Modellen unter den Begriff der „vorüber­ge­henden Verviel­fäl­tigung“ fällt. Diese Unter­scheidung ist von enormer Bedeutung, da sie bestimmt, ob Kneschke Anspruch auf eine Vergütung hat oder nicht. Es wurde schnell klar, dass die Richter hier nicht nur über einen Einzelfall entscheiden, sondern mögli­cher­weise einen Präze­denzfall schaffen, der weitrei­chende Folgen für die gesamte KI-Branche haben könnte.

 

Während des Verfahrens wurde vielen Zuschauern bewusst, dass es hier um weit mehr ging als nur um Bilder. Die ethischen und recht­lichen Fragen, die sich aus der Nutzung urheber­rechtlich geschützter Werke zur Entwicklung von KI-Modellen ergeben, standen im Mittel­punkt der hitzigen Diskus­sionen, sowohl im Gerichtssaal als auch in den Pausen. „Wir stehen hier im Spannungsfeld zwischen techno­lo­gi­schem Fortschritt und dem Schutz kreativer Arbeit“, fasste ein Teilnehmer die Situation treffend zusammen. Dieses Spannungsfeld zwischen Innovation und Urheber­schutz wurde an diesem Tag spürbar.

 

Das Gericht im Fall Robert Kneschke gegen LAION e.V. warf in seiner ersten Verhandlung am 11. Juli 2024 mehrere zentrale Fragen auf, die sich um den Umgang mit urheber­rechtlich geschützten Werken im Kontext von KI-Training und Text- und Daten­analyse (TDM) drehten:

 

  1. Anwend­barkeit der TDM-Ausnahmen: Das Gericht muss klären, ob die Nutzung von Kneschkes Bildern durch LAION unter die gesetz­lichen Ausnahmen des deutschen Urheber­rechts und der EU-Richt­linie fällt, die die Nutzung urheber­rechtlich geschützter Werke für TDM erlauben, sofern die Werke recht­mäßig zugänglich sind und nur vorüber­gehend gespei­chert werden. Kneschke argumen­tierte, dass LAION aufgrund kommer­zi­eller Koope­ra­tionen nicht als gemein­nützige Forschungs­or­ga­ni­sation angesehen werden könne.

 

  1. Urheber­recht­liche Aspekte von KI-Trainings­daten: Ein weiteres zentrales Problem war die Frage, ob die Verwendung von Bildern zur Schulung von KI-Modellen wie Stable Diffusion eine urheber­rechtlich relevante Verviel­fäl­tigung darstellt. Kneschke behauptete, dass seine Rechte verletzt wurden, da seine Werke ohne Erlaubnis genutzt wurden. LAION hingegen betonte, dass sie keine dauer­haften Kopien der Bilder speicherten, und argumen­tierte, dass daher keine Verviel­fäl­tigung vorliege.

 

  1. Opt-out-Mecha­nismen für Urheber: Ein weiterer Diskus­si­ons­punkt war die Frage, ob Urheber das Recht haben sollten, die Nutzung ihrer Werke für KI-Trainings­daten zu unter­sagen. Kneschke forderte die Möglichkeit, seine Bilder aus Daten­sätzen wie LAION 5B entfernen zu lassen. LAION entgegnete, dass dies technisch unmöglich sei, da sie keine dauer­haften Kopien speichern.

 

  1. Vergü­tungs­mo­delle für Künstler: Das Gericht unter­suchte auch mögliche Vergü­tungs­mo­delle für Urheber, deren Werke in KI-Trainings­daten verwendet werden, und ob zukünftige gesetz­liche Regelungen eine solche Vergü­tungs­pflicht festlegen sollten.

 

  1. Inter­na­tionale und ethische Impli­ka­tionen: Schließlich wies das Gericht auf die inter­na­tio­nalen Auswir­kungen dieses Falles hin, da die Entwicklung von KI und die Nutzung von Trainings­daten global statt­finden. Ein Urteil in diesem Fall könnte ein Präze­denzfall für ähnliche Fälle in Europa und weltweit werden und die Innova­ti­ons­kraft der europäi­schen KI-Industrie beeinflussen.

 

Insgesamt zeigte das Gericht großes Interesse daran, ein Gleich­ge­wicht zwischen der Förderung von Innovation und dem Schutz der Urheber­rechte zu finden. Der Fall gilt als wegweisend, da er viele offene Fragen zum Thema KI-Training und Urheber­recht adres­siert und mögli­cher­weise zu neuen gesetz­lichen Rahmen­be­din­gungen führen könnte.

 

Dieses Verfahren bleibt spannend, da es die zukünftige recht­liche Grundlage für die Nutzung kreativer Inhalte in der KI-Entwicklung entscheidend beein­flussen könnte. Als Zuschauer dieser Verhandlung war es sehr aufschluss­reich, und gleich­zeitig wurde deutlich, wie emotional aufge­laden diese Fragen für alle Betei­ligten sind. Der Fall offen­barte die tiefen Risse im aktuellen Rechts­rahmen und die Unsicher­heiten, die der techno­lo­gische Fortschritt mit sich bringt.