Thomson Reuters vs. ROSS Intel­li­gence: Gericht entscheidet zugunsten des Urheber­rechts­schutzes bei KI-Training

Ein wegwei­sendes Urteil zum Schutz juris­ti­scher Daten in Zeiten Künst­licher Intelligenz

Am 11. Februar 2025 fällte das United States District Court for the District of Delaware ein entschei­dendes Urteil zugunsten von Thomson Reuters in dessen Rechts­streit gegen ROSS Intel­li­gence. In seiner revidierten Entscheidung stellte Richter Stephanos Bibas fest, dass ROSS durch die Nutzung von Inhalten aus der Westlaw-Datenbank das Urheber­recht von Thomson Reuters verletzt hat. Die Vertei­digung von ROSS, insbe­sondere der Fair-Use-Einwand, wurde abgewiesen.

Das Urteil hat weitrei­chende Auswir­kungen auf die Nutzung urheber­rechtlich geschützter Daten im Zusam­menhang mit KI-gestützten Rechts­re­cherchen und könnte als Präze­denzfall für ähnliche Ausein­an­der­set­zungen in anderen Branchen dienen.

Worum ging es in dem Fall?

Thomson Reuters betreibt mit Westlaw eine der größten juris­ti­schen Online-Daten­banken weltweit. Neben einer Sammlung von Gerichts­ent­schei­dungen, Geset­zes­texten und Kommen­taren enthält Westlaw sogenannte “Headnotes” – redak­tionell erstellte Zusam­men­fas­sungen relevanter Rechts­grund­sätze, die eine struk­tu­rierte und effiziente Rechts­re­cherche ermöglichen.

Das Unter­nehmen ROSS Intel­li­gence arbeitete an der Entwicklung einer KI-basierten Rechts­re­cher­che­plattform und benötigte dafür große Mengen an juris­ti­schen Daten. Da Thomson Reuters sich weigerte, eine Lizenz für die Westlaw-Daten zu erteilen, umging ROSS das Problem, indem es mit LegalEase zusammenarbeitete.

LegalEase erstellte Bulk Memos, die aus Westlaw-Headnotes abgeleitet waren und anschließend für das Training der KI von ROSS genutzt wurden. Als Thomson Reuters davon erfuhr, klagte das Unter­nehmen mit der Begründung, ROSS habe urheber­rechtlich geschützte Inhalte ohne Erlaubnis übernommen.

Die Entscheidung des Gerichts: Begründung im Detail

Richter Stephanos Bibas revidierte sein ursprüng­liches Urteil aus dem Jahr 2023 und stellte fest, dass die Headnotes von Westlaw urheber­rechtlich geschützte Werke sind. Er entschied außerdem, dass die Nutzung dieser Inhalte durch ROSS nicht als “Fair Use” einge­stuft werden kann. Die zentrale Frage war, ob die Headnotes von Westlaw eigen­ständige urheber­rechtlich geschützte Werke darstellen oder lediglich gemein­freie juris­tische Infor­ma­tionen zusam­men­fassen. Das Gericht befand, dass Headnotes durch mensch­liche Redaktion erstellt werden und eine kreative Auswahl, Anordnung und Formu­lierung erfordern. Diese redak­tio­nelle Leistung weist eine ausrei­chende Origi­na­lität auf, um nach US-Copyright-Gesetz schutz­fähig zu sein. Auch wenn einzelne Headnotes sich stark an den jewei­ligen Urteils­texten orien­tieren, bleibt die redak­tio­nelle Auswahl und Kürzung als kreative Leistung schutzwürdig.

Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass ROSS in mindestens 2.243 Fällen Inhalte von Westlaw kopiert hat. Durch den Vergleich von Westlaw-Headnotes und den von ROSS verwen­deten Trainings­daten wurde eine hohe Ähnlichkeit festge­stellt, die über eine zufällige oder übliche Paraphrase hinausging. ROSS hatte die Westlaw-Headnotes nicht lediglich als Inspi­ration genutzt, sondern syste­ma­tisch für das Training der eigenen KI übernommen. Damit war der Tatbe­stand der direkten Urheber­rechts­ver­letzung erfüllt.

ROSS argumen­tierte, dass die Nutzung der Westlaw-Headnotes für das KI-Training unter die Fair-Use-Doktrin falle. Das Gericht verneinte dies jedoch mit der Begründung, dass ROSS sich damit einen unlau­teren Wettbe­werbs­vorteil verschafft habe.

Richtungs­wechsel des Gerichts: Eine Umkehrung des 2023er Urteils

Das Urteil von 2025 stellt eine Umkehrung der Entscheidung aus dem Jahr 2023 dar. Ursprünglich hatte Richter Bibas den Antrag von Thomson Reuters auf ein summa­ri­sches Urteil weitgehend abgelehnt. Doch nach einer erneuten, inten­siven Prüfung kam er zu dem Schluss, dass seine vorherige Entscheidung nicht weit genug gegangen sei.

“Nach erneuter Betrachtung der Beweislage war es notwendig, mein früheres Urteil zu revidieren.”

Die rasante Entwicklung im Bereich der Künst­lichen Intel­ligenz stellt Gerichte weltweit vor neue Heraus­for­de­rungen. Die Abwägung zwischen Innovation und dem Schutz geistigen Eigentums wird immer relevanter. Dieses Urteil könnte als Präze­denzfall für zukünftige Entschei­dungen dienen und die Art und Weise beein­flussen, wie Unter­nehmen KI-Techno­logien entwi­ckeln und einsetzen.

Mögliche Auswir­kungen des Urteils:

  • Stärkung des Urheber­rechts­schutzes: Unter­nehmen müssen verstärkt auf die Einhaltung von Urheber­rechten achten.
  • Erhöhte Sorgfalt bei der Daten­be­schaffung: Nutzung geschützter Inhalte zum KI-Training erfordert klare Lizenzierungen.
  • Einfluss auf zukünftige Recht­spre­chung: Das Urteil könnte als Leitent­scheidung für ähnliche Fälle dienen.
  • Anpassung von Geschäfts­mo­dellen: KI-Entwickler müssen ihre Strategien anpassen, um recht­liche Konflikte zu vermeiden.

Vergleich zur deutschen Rechtsprechung

In Deutschland hat das Landge­richt Hamburg am 27. September 2024 ein wegwei­sendes Urteil zur urheber­recht­lichen Zuläs­sigkeit des Trainings von KI-Modellen mit geschützten Werken gefällt. In dem Fall hatte der Verein LAION eine umfang­reiche Datenbank mit Bild-Text-Paaren erstellt, die unter anderem eine Fotografie des klagenden Fotografen enthielt. Das Gericht entschied, dass die Verviel­fäl­tigung dieser Fotografie zum Zwecke des Text- und Data-Mining gemäß § 60d UrhG zulässig sei, da sie wissen­schaft­lichen Zwecken diente und keine kommer­zi­ellen Inter­essen verfolgte.

Dieses Urteil betont die Bedeutung der Schran­ken­re­ge­lungen im Urheber­recht, insbe­sondere im Kontext der wissen­schaft­lichen Forschung. Es stellt klar, dass die automa­ti­sierte Analyse urheber­rechtlich geschützter Werke zum Zwecke des maschi­nellen Lernens unter bestimmten Voraus­set­zungen zulässig ist. Aller­dings bleibt abzuwarten, wie zukünftige Gerichte, insbe­sondere in höheren Instanzen, diese Thematik behandeln werden.

Ich habe dazu einen detail­lierten Artikel verfasst, der die recht­lichen Impli­ka­tionen dieses Urteils analy­siert und die Abwägung zwischen Urheber­rechts­schutz und techno­lo­gi­schem Fortschritt thematisiert.

Im Vergleich zum US-ameri­ka­ni­schen Fall “Thomson Reuters vs. ROSS Intel­li­gence” zeigt sich, dass sowohl in den USA als auch in Deutschland die Gerichte derzeit die Grenzen zwischen Innovation und Urheber­rechts­schutz im Kontext von KI-Techno­logien ausloten. Während das US-Gericht die Nutzung urheber­rechtlich geschützter Inhalte durch ROSS als Verletzung einstufte, erkannte das deutsche Gericht in der Nutzung durch LAION eine zulässige Handlung im Rahmen der wissen­schaft­lichen Forschung. Diese unter­schied­lichen Entschei­dungen unter­streichen die Komple­xität des Themas und die Notwen­digkeit einer klaren recht­lichen Rahmung für den Einsatz von KI im Zusam­menhang mit urheber­rechtlich geschützten Werken.