Ein aktuelles Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Az. 12 U 9/24) hat die Frage beantwortet, wer haftet, wenn eine Rechnung durch Cyberbetrug manipuliert wurde. Das Gericht hat entschieden, dass eine Zahlung des Kunden auf ein falsches Konto nicht schuldbefreiend wirkt. Für Unternehmer ist besonders zu beachten, dass sie für die Sicherheit ihres Rechnungsversands sorgen müssen. Unter Umständen haften sie selbst für Schäden
Cyberbetrug durch manipulierte Rechnungen
Ein Handwerksbetrieb stellte einem Kunden eine Schlussrechnung über eine erbrachte Werkleistung aus. Die Rechnung wurde per E‑Mail versandt. Unbekannte Dritte haben die E‑Mail abgefangen, die Kontodaten manipuliert und die Rechnung an den Kunden weitergeleitet. Der Kunde beglich die Rechnung auf das gefälschte Konto. Später stellte sich heraus, dass das Geld nicht beim Handwerker ankam, und dieser forderte die Zahlung erneut.
Der Kunde argumentierte, er habe in gutem Glauben gezahlt. Zudem sei es die Verantwortung des Unternehmers, für einen sicheren Versand der Rechnungen zu sorgen. Der Fall wurde schließlich vor Gericht verhandelt.
Die Entscheidung des Gerichts: Unternehmer müssen Rechnungsversand absichern
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat in einem aktuellen Urteil bestätigt, dass eine Zahlung auf ein falsches Konto nicht automatisch zur Schuldbefreiung führt. Dies beruht auf den Regelungen des deutschen Schuldrechts: Eine Verbindlichkeit gilt erst dann als erfüllt, wenn der geschuldete Betrag an den berechtigten Gläubiger oder auf das von diesem benannte Konto gezahlt wurde. Das Gericht hat dies wie folgt präzisiert:
“Die Zahlungspflicht des Schuldners wird nur dann als erfüllt betrachtet, wenn die Leistung an den Gläubiger oder einen von ihm benannten Empfänger erbracht wurde. Eine Zahlung auf ein manipuliertes Konto erfüllt diese Voraussetzung nicht.”
Da der Kunde die Zahlung auf das manipulierte Konto geleistet hatte, blieb seine Zahlungspflicht gegenüber dem Handwerksbetrieb bestehen.
Gleichzeitig wurde seitens des Gerichts ein Schadensersatzanspruch des Kunden anerkannt. Dieser beruht auf den Bestimmungen des Datenschutzrechts, insbesondere auf Art. 82 DSGVO. Das Unternehmen hatte keine angemessenen Schutzmaßnahmen für den sicheren Versand der Rechnung getroffen, insbesondere keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder alternative sichere Übertragungsmethoden genutzt. Das Gericht argumentierte, dass der Rechnungsversand per ungesicherter E‑Mail eine vermeidbare Verletzung der datenschutzrechtlichen Schutzpflichten darstelle. Das Gericht sah eine Mitverantwortung des Unternehmens, da es die datenschutzrechtlichen Anforderungen nicht erfüllt hat. Dem Kunden wurde ein Schadensersatzanspruch zugesprochen, der mit der offenen Werklohnforderung verrechnet werden konnte. Dadurch wurde dem Kunden keine weitere finanzielle Belastung auferlegt, der entstandene Schaden wurde letztlich vom Handwerksbetrieb getragen.
Das Gericht betont, dass Unternehmen für die Sicherheit ihrer E‑Mail-Kommunikation verantwortlich sind. Der Versand von Rechnungen ohne angemessene Sicherheitsmaßnahmen – etwa über unverschlüsselte E‑Mails – kann gegen die geltenden Datenschutzvorgaben verstoßen. Im vorliegenden Fall hätte der Handwerker moderne Schutzmaßnahmen wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder ein sicheres Kundenportal nutzen müssen. Da dies nicht erfolgte, erhielt der Kunde einen Schadensersatzanspruch, den er mit der Werklohnforderung verrechnen konnte. Dadurch wurde verhindert, dass der Kunde doppelt zahlen muss, während der Handwerker den entstandenen Schaden trägt.
Unternehmer tragen Mitverantwortung für die Sicherheit des Rechnungsversands
- Das Gericht betonte, dass Unternehmen verpflichtet sind, ihre E‑Mail-Kommunikation abzusichern.
- Unverschlüsselte oder nur transportverschlüsselte E‑Mails (z. B. über TLS) gelten als unsicher.
- Es wird erwartet, dass Unternehmen Maßnahmen wie Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, digitale Signaturen oder die Bereitstellung von Rechnungen über sichere Kundenportale nutzen.
Haftung bei Verstößen gegen die DSGVO
- Falls ein Unternehmen nicht für ausreichende Sicherheitsmaßnahmen sorgt, kann es gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen.
- In diesem Fall kann dem Kunden ein Schadensersatzanspruch zustehen, der mit der Werklohnforderung des Unternehmens verrechnet werden kann.
- Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen keine geeigneten Schutzmaßnahmen ergreift, könnte es im Streitfall die Zahlung verlieren.
Praktische Empfehlungen für Unternehmer
- ✔ Rechnungen nicht unverschlüsselt per E‑Mail versenden.
- ✔ Digitale Signaturen oder Kundenportale für Rechnungsstellung nutzen.
- ✔ Ihre Kunden vor Betrugsmethoden (z. B. geänderte Kontodaten) warnen.
- ✔ Auf Rechnungen explizit vermerken, dass Bankverbindungen nicht per E‑Mail geändert werden.
- ✔ Kunden sensibilisieren, Zahlungsdaten telefonisch zu bestätigen, wenn sie ungewöhnlich erscheinen.