Die „tagesschau“ ist nicht nur eine der bekanntesten Nachrichtenmarken Deutschlands, sondern auch ein geschütztes Zeichen innerhalb der Europäischen Union. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat mit seinem Urteil vom 30. April 2024 (T‑83/20 RENV) entschieden, dass die Wortmarke „tagesschau“ weiterhin als Unionsmarke geschützt bleibt. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Markennutzung durch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, selbst wenn diese nicht in einem klassischen marktwirtschaftlichen Wettbewerb stehen. Im Folgenden beleuchten wir die Hintergründe, die Argumente der Parteien und die zentralen Aussagen des Gerichts.
Hintergrund des Rechtsstreits
Im Jahr 2012 wurde das Wortzeichen „tagesschau“ unter anderem zugunsten des Bayerischen Rundfunks, des Hessischen Rundfunks und weiterer ARD-Landesrundfunkanstalten als Unionsmarke eingetragen. Die Eintragung umfasst Dienstleistungen wie „Erziehung, Ausbildung, sportliche und kulturelle Aktivitäten“. Die bonnanwalt Vermögens- und Beteiligungsgesellschaft mbH beantragte 2017 beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), die Marke für verfallen zu erklären. Sie argumentierte, die Marke sei innerhalb von fünf Jahren nicht ernsthaft genutzt worden, da öffentlich-rechtliche Sender nicht wie private Anbieter im geschäftlichen Sinne als Herkunftshinweis agierten. Vielmehr folgten sie einem gesetzlichen Programmauftrag und reagierten nicht auf Angebot und Nachfrage.
Das EUIPO wies den Antrag teilweise zurück, erklärte jedoch den Markenschutz für bestimmte Waren und Dienstleistungen für verfallen. Beide Parteien gingen in Berufung, was schließlich zur erneuten Verhandlung vor dem EuG führte.
Die Entscheidung des EuG
Das EuG wies die Klage der bonnanwalt Vermögens- und Beteiligungsgesellschaft mbH ab und bestätigte, dass die „tagesschau“ als Unionsmarke geschützt bleibt. Das Gericht betonte, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten durchaus dem Wettbewerb unterliegen, auch wenn ihre Finanzierung über Rundfunkbeiträge erfolgt. Es stellte fest:
„Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unterliegen einem Wettbewerb mit privaten Rundfunkanstalten, auch wenn ihre Finanzierung durch Pflichtbeiträge erfolgt. Diese Konkurrenz ist wichtig, um eine Grundversorgung sicherzustellen, die ihrerseits Reichweite und Relevanz voraussetzt.“ (EuG, T‑83/20 RENV, Rn. 45)
Das Gericht erkannte an, dass die Marke „tagesschau“ mehrfach täglich in Nachrichtensendungen eingeblendet wird, was eine ernsthafte Benutzung darstellt. Entgegen der Argumentation der Klägerin sei die Nutzung nicht nur auf den gesetzlichen Programmauftrag beschränkt, sondern diene auch der Unterscheidung der Dienstleistungen im Wettbewerb. Das EuG führte weiter aus:
„Die Bereitstellung von Nachrichtensendungen und ‑beiträgen – ob im Fernsehen, in Mediatheken oder über Apps – trägt zur Entwicklung der geistigen Fähigkeiten bei und kann unter ‚Erziehung‘, ‚Ausbildung‘ und ‚kulturelle Aktivitäten‘ eingeordnet werden.“ (EuG, T‑83/20 RENV, Rn. 52)
Damit wies das Gericht die Auffassung zurück, dass die beitragsfinanzierten Sender aufgrund ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags keine markenmäßige Nutzung im Sinne des Unionsmarkenrechts leisten könnten.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil stärkt die Position öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten im Markenrecht und verdeutlicht, dass auch beitragsfinanzierte Einrichtungen in einem wettbewerbsorientierten Umfeld agieren. Die Entscheidung hat weitreichende Implikationen für die Schutzfähigkeit von Marken, die von nicht-gewinnorientierten Organisationen genutzt werden. Medienrechtler Marcus Nothelfer betonte in diesem Zusammenhang:
„Marken gewähren ihren Inhabern ein starkes Monopol auf die Verwendung einer Bezeichnung oder eines Namens für bestimmte Waren oder Dienstleistungen. Wettbewerbern wird es dadurch untersagt, identische oder sehr ähnliche Zeichen im selben oder ähnlichen Produkt- oder Dienstleistungsbereich zu verwenden.“
Für Unternehmen und Markeninhaber unterstreicht das Urteil die Notwendigkeit, die ernsthafte Benutzung ihrer Marken kontinuierlich nachzuweisen, um Verfallsanträgen entgegenzuwirken. Gleichzeitig zeigt es, dass die Art der Finanzierung – ob privat oder öffentlich – nicht zwangsläufig die markenrechtliche Nutzung beeinflusst.
Fazit
Das EuG-Urteil vom 30. April 2024 bestätigt den Markenschutz der „tagesschau“ und stärkt die rechtliche Position öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Es verdeutlicht, dass die Nutzung einer Marke im Wettbewerb nicht ausschließlich an klassische Marktmechanismen gebunden ist. Die „tagesschau“ bleibt somit ein geschütztes Zeichen, das für Qualität und Vertrauen in der Nachrichtenlandschaft steht.
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