Rechtliche Analyse: Risiken der CapCut-Nutzung für Agenturen und Unternehmen
Mit Wirkung zum 12. Juni 2025 hat CapCut – eine von der ByteDance-Gruppe betriebene Video-Plattform – ihre Nutzungsbedingungen (Terms of Service) und Datenschutzrichtlinie umfassend überarbeitet. Diese neuen Regelungen enthalten Klauseln, die aus rechtlicher Sicht äußerst weitreichend und in Teilen problematisch sind, insbesondere für Unternehmen, die im professionellen Agenturumfeld mit markensensiblen, personenbezogenen oder vertraulichen Inhalten arbeiten.
Besonders hervorzuheben ist das erhebliche Risiko, das sich aus der Rechtslage im Bereich der Nutzungsrechte ergibt: Bereits durch das bloße Hochladen von Videomaterial auf CapCut räumen Nutzer dem Betreiber und seinen Partnerunternehmen eine dauerhafte, unwiderrufliche und umfassende Lizenz an sämtlichen Inhalten ein – einschließlich der Erlaubnis zur Bearbeitung, kommerziellen Verwertung und weltweiten Weitergabe. Dies betrifft ausdrücklich auch Gesichter, Stimmen, Logos und andere identifizierende Elemente.
Damit verlieren Sie nicht nur die Kontrolle über Ihre produzierten Inhalte, sondern nehmen zugleich in Kauf, dass Sequenzen aus Kundenprojekten – auch solche mit Personenbezug – ohne Rücksprache in fremde Kontexte eingebettet, in Werbekampagnen verwendet oder algorithmisch weiterverwertet werden. Eine nachträgliche Einschränkung oder Rücknahme dieser Rechte ist nicht vorgesehen.
Auch datenschutzrechtlich bestehen erhebliche Bedenken: Hochgeladene Inhalte werden bereits vor dem Speichern automatisch verarbeitet, auf Server in Drittländer übermittelt und für KI-Trainings- sowie Werbezwecke analysiert – teils ohne klare Zweckbindung und ohne vollständige Kontrollmöglichkeit über die weitere Verwendung.
Ziel dieser Stellungnahme ist es, die daraus resultierenden Risiken für Ihre Agenturpraxis klar darzustellen, konkrete Szenarien zu beleuchten und Ihnen Empfehlungen für den sicheren und rechtlich verantwortbaren Umgang mit der Plattform CapCut zu geben.
1. Zusammenfassung der Risiken
1.1 Nutzungsrechte
- Alle hochgeladenen Inhalte – auch Entwürfe oder nicht veröffentlichte Clips – gelten als nicht vertraulich und dürfen von CapCut dauerhaft, weltweit, kostenlos und ohne Rücksprache genutzt werden.
- CapCut erhält eine unwiderrufliche, übertragbare und unterlizenzierbare Voll-Lizenz für sämtliche Inhalte – inklusive der Erlaubnis zur Bearbeitung, Kombination, Veröffentlichung und kommerziellen Verwertung.
- Nutzer verzichten auf das Recht auf Namensnennung sowie auf den Schutz vor entstellenden oder sinnentstellenden Bearbeitungen („Moral Rights Waiver“).
- CapCut darf Inhalte jederzeit sperren, löschen oder unzugänglich machen, ohne Angabe von Gründen und ohne Verpflichtung zur Wiederherstellung oder Entschädigung.
Konsequenz: Die Kontrolle über Ihre Inhalte – insbesondere über Gesichter, Marken, Sprache und Veröffentlichungszeitpunkte – geht vollständig verloren. Eine Nutzung durch Dritte oder eine unpassende Weiterverwendung kann nicht verhindert werden.
1.2 Datenschutz (Privacy Policy, Stand 12.09.2024)
- CapCut verarbeitet Ihre Inhalte bereits beim Hochladen, auch wenn sie nie gespeichert oder veröffentlicht werden.
- Hochgeladene Inhalte können zur technischen Optimierung, Werbung und zum KI-Training verwendet werden – auch in anonymisierter oder abgewandelter Form.
- Die Daten werden auf Servern in Drittstaaten wie den USA, Singapur und Malaysia verarbeitet, ohne gleichwertigen EU-Datenschutz. Ein Zugriff durch ausländische Behörden (z. B. US-Behörden) ist nicht ausgeschlossen.
- Ein nachträglicher Lösch- oder Widerspruchsanspruch besteht nur eingeschränkt. Inhalte, die bereits verarbeitet oder weitergegeben wurden, können nicht vollständig entfernt werden.
Konsequenz: Ein effektiver Schutz personenbezogener Daten (z. B. Gesichter, Stimmen, Umfeld) ist nicht gewährleistet. Die Nutzung durch CapCut kann mit datenschutzrechtlichen Verpflichtungen gegenüber Ihren Kunden (z. B. aus NDAs oder Projektverträgen) kollidieren.
2. Ausführliche Darstellung
2.1 Nicht‑Vertraulichkeit
Originaltext:
„All User Content will be considered non-confidential.“ (ToS § 6, Zeile 111)
Erläuterung: CapCut erklärt in den Nutzungsbedingungen ausdrücklich, dass sämtliche von Nutzern hochgeladenen Inhalte – unabhängig davon, ob diese veröffentlicht, gespeichert oder nur intern bearbeitet wurden – als nicht vertraulich gelten. Damit entfällt jeglicher Schutz, der üblicherweise für Entwürfe, unfertige Projekte oder exklusive Medieninhalte im geschäftlichen Umfeld vorausgesetzt wird.
Praktische Folgen: Sobald ein Video, eine Grafik oder ein Audiodokument in CapCut hochgeladen wird, kann dieser Inhalt:
- automatisch verarbeitet und analysiert werden – etwa durch Algorithmen zur Texterkennung, Bildanalyse oder zur Generierung von Untertiteln,
- intern zugänglich gemacht werden, auch für Mitarbeiter oder Systeme des Plattformbetreibers,
- und unter Umständen systemisch indexiert oder in vorbereitende Trainingsmodelle eingespeist werden.
Dies gilt selbst dann, wenn das Projekt:
- noch nicht zur Veröffentlichung bestimmt war,
- Rechte Dritter (z. B. Musiklizenzen, Einwilligungen abgebildeter Personen) noch nicht vorlagen,
- oder unter einer Vertraulichkeitsvereinbarung (NDA) stand und erst nach Kundenzustimmung publiziert werden sollte.
Konkret entsteht damit das Risiko, dass vertrauliche Inhalte:
- vor dem beabsichtigten Veröffentlichungstermin an Dritte gelangen,
- rechtswidrig verwertet werden, bevor Rechte geklärt sind,
- oder außerhalb der Kommunikationsstrategie des Kunden in fremde Kontexte eingebettet werden – z. B. über automatisierte Empfehlungsfunktionen oder durch ungewollte Indexierung.
Rechtliche Bewertung: Für Agenturen, die unter beruflicher Verschwiegenheitspflicht stehen oder vertraglich zur Einhaltung von Sperrfristen und Geheimhaltungsklauseln verpflichtet sind, stellt diese AGB-Klausel ein erhebliches Risiko dar. Ein einmaliger Upload kann – auch ohne Veröffentlichung – ausreichen, um Inhalte dauerhaft in den Datenbestand von CapCut zu überführen und damit den Schutzrahmen rechtlich und tatsächlich zu verlieren.
2.2 Lizenzumfang
Originaltext:
„… unconditional, irrevocable, royalty-free, fully transferable, perpetual, worldwide licence …“ (ToS § 6, Zeile 115–116)
Mit dem Hochladen eines Inhalts auf CapCut erteilen Sie dem Betreiber eine umfassende, zeitlich unbeschränkte und weltweit gültige Nutzungserlaubnis. Diese umfasst insbesondere:
- unconditional – ohne Bedingungen oder Einschränkungen,
- irrevocable – unwiderruflich, selbst bei Löschung des Kontos oder des Inhalts,
- royalty-free – ohne Vergütung, auch bei kommerzieller Nutzung,
- fully transferable / sub-licensable – mit dem Recht, die Inhalte an Dritte (z. B. Werbenetzwerke, Plattformbetreiber) weiterzugeben,
- perpetual / worldwide – für immer und überall auf der Welt gültig.
Bedeutung: Sobald eine Videoaufnahme (z. B. eine Kundenreferenz, ein Produkt-Teaser oder ein internes Moodboard) bei CapCut hochgeladen wird, darf CapCut:
- das Material verändern, vertonen, zuschneiden oder weiterverarbeiten,
- Inhalte in anderen Videos oder Medienformaten verwenden – auch völlig zusammenhangslos,
- und die Nutzungslizenz an Dritte verkaufen oder weitergeben, ohne dass Sie oder Ihr Kunde hiervon erfahren oder zustimmen müssten.
Eine kurze Szene aus einem Agenturprojekt (etwa ein Statement eines Kunden oder ein atmosphärischer Clip aus einem Imagefilm) kann – rechtlich gedeckt durch die Nutzungsbedingungen – plötzlich in einem fremden, unter Umständen unpassenden oder rufschädigenden Kontext auftauchen. Beispielsweise:
- als Bestandteil eines viralen Spaßvideos,
- in algorithmisch zusammengesetzten Social-Media-Compilations,
- oder als Trainingsmaterial für KI-gestützte Video-Engines.
Wichtig: Weder Sie noch Ihr Kunde haben in diesem Fall einen Anspruch auf Entfernung, Entschädigung oder Kontrolle – selbst dann nicht, wenn das Material exklusiv produziert und bezahlt wurde.
2.3 Bild‑, Stimm‑ und Namensrechte
Originaltext:
„… licence to use your username, image and likeness …“ (ToS § 6, Zeile 116)
Erläuterung: Mit dieser Klausel sichert sich CapCut nicht nur die allgemeinen Nutzungsrechte an den von Ihnen hochgeladenen Inhalten, sondern auch gesonderte Rechte an identifizierbaren Merkmalen von Personen oder Marken, darunter:
- „image“: das äußere Erscheinungsbild einer Person, z. B. ihr Gesicht oder ihr körperlicher Ausdruck,
- „likeness“: alle charakteristischen Merkmale, mit denen eine Person erkannt werden kann (z. B. Frisur, Stimme, Gestik),
- „username“: ggf. auch markenähnliche oder öffentlich genutzte Bezeichnungen.
Bedeutung: CapCut darf einzelne Bestandteile eines Videos – z. B. das Gesicht eines Kunden, die Stimme einer Sprecherin oder ein eingeblendetes Markenlogo – losgelöst vom ursprünglichen Zusammenhang weiterverwenden. Dabei ist keine Zustimmung erforderlich, keine Benachrichtigung vorgesehen, und auch eine Vergütung ist ausgeschlossen.
Konkrete Risiken:
- Ein Testimonial (z. B. eine zufriedene Kundin im Interview) könnte als Gesicht in einem ganz anderen Werbekontext wiederverwendet werden – etwa neben Produkten oder Aussagen, die sie nie autorisiert hat.
- Ein eingeblendetes Logo (z. B. Ihres Kunden oder einer von Ihnen betreuten Marke) könnte in Collagen, KI-generierten Werbespots oder fremden Nutzerinhalten auftauchen.
- Eine Stimme aus einem Video – z. B. eines Vorstandsmitglieds oder einer Sprecherin – kann automatisch analysiert, synthetisch nachgebildet und in anderen Inhalten genutzt werden.
Wichtig: Diese Nutzung ist vertraglich abgedeckt, solange Sie Inhalte auf CapCut hochladen. Sie verlieren die Kontrolle darüber, in welchem Kontext Ihre Kundengesichter, Stimmen oder Markenelemente erscheinen – auch wenn dies dem Image oder der Kommunikationsstrategie Ihres Kunden zuwiderläuft.
2.4 Verzicht auf Urheberpersönlichkeitsrechte
Originaltext:
„… waive any and all moral rights …“ (ToS § 6, Zeile 124–125)
Erläuterung: Mit dieser Klausel erklärt der Nutzer, also Sie als Agentur bzw. Ihre Mitarbeiter oder Subunternehmer, dass auf sämtliche sogenannten „moral rights“ – also Urheberpersönlichkeitsrechte – verzichtet wird, soweit dies rechtlich zulässig ist. Dazu zählen insbesondere:
- das Recht auf Namensnennung als Urheber (vgl. § 13 UrhG),
- das Recht, gegen entstellende oder verfälschende Bearbeitungen des Werks vorzugehen (§ 14 UrhG),
- das Recht, das Werk nur im ursprünglich intendierten Kontext erscheinen zu lassen.
Bedeutung: Wenn Sie oder Ihre Agentur ein Video, eine Grafik oder ein vertonter Clip auf CapCut hochladen, verlieren Sie faktisch die Kontrolle darüber, wie dieses Werk weiterverwendet und verändert wird. CapCut darf Inhalte:
- ohne Namensnennung oder Urhebervermerk verwenden,
- bearbeiten, kürzen oder verfremden, auch in einer Weise, die dem Inhalt oder Stil Ihrer Agenturarbeit widerspricht,
- in neue, sinnentstellende Kontexte einbetten – z. B. humoristische Memes, Werbung für nicht verbundene Produkte oder KI-generierte Collagen.
Risiken:
- Ein hochwertig produzierter Imagefilm Ihres Kunden, der mit viel Aufwand erstellt wurde, kann durch algorithmische Bearbeitung oder Nutzerinteraktion in ein humoristisches oder ironisches Meme umgewandelt werden – ohne dass Sie rechtlich dagegen vorgehen können.
- Missverständliche Bearbeitungen (z. B. Zusammenschnitte mit kontroversen Aussagen) können das öffentliche Bild Ihrer Kunden nachhaltig beschädigen.
- Ein Verzicht auf Namensnennung kann bei Referenzprojekten Ihrer Agentur dazu führen, dass Ihr Urheberbeitrag unsichtbar bleibt – trotz kreativer Eigenleistung.
Wichtig: Derartige Bearbeitungen, Montagen oder Zweckentfremdungen sind nach deutschem Urheberrecht grundsätzlich angreifbar – sofern keine anderslautende Vereinbarung besteht. Da CapCut jedoch genau einen solchen (teilweisen) Verzicht verlangt, wird dieser Schutz vertraglich neutralisiert – mit erheblichen Auswirkungen auf Ihre Position als Ersteller oder Verwerter der Inhalte.
2.5 Löschung oder Sperrung ohne Vorwarnung
Originaltext:
„… remove, disallow, block or delete any User Content … with or without notice and without any liability to you.“ (ToS § 6, Zeilen 126–127)
Erläuterung: CapCut behält sich das vertraglich gesicherte Recht vor, Inhalte oder ganze Nutzerkonten jederzeit zu löschen, zu sperren oder zu blockieren – und zwar ohne vorherige Ankündigung, ohne Begründung und ohne Haftung oder Ersatzpflicht.
Bedeutung: Selbst wenn Sie sich an alle Regeln halten, kann CapCut jederzeit entscheiden, dass ein Video:
- gesperrt,
- dauerhaft entfernt oder
- gar nicht erst veröffentlicht wird.
Eine Information oder Vorwarnung muss CapCut dabei nicht geben – auch nicht im geschäftlichen Kontext.
Risiken:
- Ein aufwendig produziertes Projekt – etwa eine mehrsprachige Produktkampagne oder ein markensensibles CEO-Statement – kann plötzlich nicht mehr zugänglich sein, weil CapCut es entfernt oder das Konto gesperrt hat.
- Kein Backup? Kein Zugriff. CapCut ist vertraglich nicht verpflichtet, Ihnen die Dateien zurückzugeben oder zugänglich zu machen.
- Selbst zahlende Premium-Nutzer haben laut ToS keinen Anspruch auf Ersatz, Rückerstattung oder Zugriffssicherung, wenn Inhalte entfernt werden.
- Bei parallel laufenden Werbemaßnahmen – etwa Social-Media-Ads, Kampagnen mit Embargo oder verknüpften Landingpages – kann das plötzlich zu peinlichen Ausfällen führen, für die Sie gegenüber dem Kunden haften.
Wichtig: Inhalte, die Sie auf CapCut erstellen oder bearbeiten, sind nicht dauerhaft gesichert. Sie haben keinen Anspruch auf Wiederherstellung, wenn Inhalte gelöscht wurden – auch nicht dann, wenn Sie CapCut bezahlt haben oder sich auf die Verfügbarkeit verlassen haben.
3. Datenschutz
3.1 Pre‑Upload‑Analyse (Mitschnitt schon vor dem Speichern)
Originaltext:
„We may upload or import User Content before you save or post it to the Services.“ (Privacy Policy, Stand 12.09.2024, Zeile 7)
Erläuterung: Bereits in dem Moment, in dem Sie ein Video oder eine andere Datei in die CapCut-Oberfläche ziehen oder zum Hochladen vorbereiten, wird diese Datei vorab auf Server von CapCut übertragen und verarbeitet – unabhängig davon, ob Sie später auf „Speichern“ oder „Veröffentlichen“ klicken.
Bedeutung: Auch Inhalte, die Sie lediglich testweise hochladen, lokal sichten oder noch überarbeiten möchten, verlassen in diesem Moment bereits Ihre Kontrolle und können von CapCut automatisch erfasst, analysiert oder indexiert werden.
Risiko:
- Interne Entwürfe, Konzeptclips oder sensible Vorabversionen (z. B. mit unfertigem Schnitt, nicht lizenzierten Testbildern oder unfreiwilligen Aufnahmen) können vorzeitig verarbeitet und damit Bestandteil von CapCuts Datenbestand werden – noch bevor Sie selbst über die Freigabe entschieden haben.
- Selbst verworfene Aufnahmen oder spontane Probeversionen, z. B. mit nicht autorisierten Personen im Bild oder Ton, werden unter Umständen dauerhaft gespeichert oder algorithmisch weiterverarbeitet.
- Dies kann problematisch sein, wenn die betroffenen Inhalte datenschutzrechtlich sensibel sind, etwa weil Gesichter, Stimmen oder vertrauliche Markeninformationen enthalten sind.
Rechtliche Bewertung (DSGVO): Dieses Verhalten stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar – und zwar ohne, dass die betroffene Person (etwa Ihr Kunde oder dessen Mitarbeiter) davon weiß oder eingewilligt hat. Damit entsteht ein hohes Risiko eines Verstoßes gegen Art. 5 (Transparenz), Art. 6 (Rechtmäßigkeit) und Art. 9 (besondere Kategorien personenbezogener Daten), insbesondere wenn biometrische Merkmale (Gesicht, Stimme) betroffen sind.
Zusätzliche Gefahr für NDAs und Geheimhaltungspflichten: Wenn Inhalte mit Dritten (z. B. externen Marken, Prominenten oder Influencern) unter Geheimhaltung produziert wurden, kann deren bloße technische Erfassung durch CapCut einen Verstoß gegen vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen darstellen – mit entsprechendem Regressrisiko.
3.2 Nutzung für Werbung & KI‑Training
Originaltext:
„We will use your information to train and improve our technology … provide advertising services … serve personalised advertising.“ (Privacy Policy, Zeile 33, Stand 12.09.2024)
Erläuterung: CapCut erklärt ausdrücklich, dass alle erhobenen Daten, einschließlich der hochgeladenen Inhalte, dazu verwendet werden dürfen, um:
- eigene technische Systeme zu verbessern (z. B. durch maschinelles Lernen / KI),
- Werbedienste bereitzustellen,
- und personalisierte Werbung für Nutzer auszuspielen.
Diese Formulierung umfasst sowohl personenbezogene Daten im klassischen Sinne (z. B. IP-Adresse, Geräteinformationen, Nutzerverhalten) als auch Inhaltsdaten – also die Videos, Audios, Bilder und darin enthaltenen Informationen (Gesichter, Stimmen, Gegenstände, Markenlogos etc.).
Bedeutung:
- Ihre hochgeladenen Projekte werden nicht nur zur Verarbeitung oder Anzeige genutzt, sondern können als Trainingsmaterial für KI-Modelle dienen. Diese Modelle analysieren z. B. Gesichtsausdrücke, Tonfall, Markenbilder oder typische Werbestrukturen.
- Inhalte, die für einen ganz bestimmten Kunden oder Kontext gedacht waren, fließen in allgemeine Systeme ein, die dann auch anderen Nutzern zugutekommen oder automatisierte Werbeentscheidungen beeinflussen.
- Ihre Videos oder Ausschnitte daraus könnten dazu beitragen, wie CapCut künftige Werbeanzeigen generiert, Zielgruppen anspricht oder Nutzungsverhalten vorhersagt – ohne dass Sie oder Ihr Kunde davon erfahren.
Risiken:
- Verlust exklusiver Kommunikationshoheit: Ihr Auftraggeber hat investiert, um einen bestimmten Markenauftritt zu entwickeln. Durch die systeminterne Nutzung kann dieser Stil (bewusst oder unbewusst) verallgemeinert und auch in anderen Kontexten sichtbar werden.
- Intransparente Nutzung personenbezogener Daten: Gesichter, Stimmen, Tonlagen, Umgebungsgeräusche oder Gestik können als Trainingsdaten für KI-Systeme verwendet werden, ohne dass betroffene Personen darüber informiert wurden.
- Unkontrollierbare Reichweitenwirkungen: Es ist nicht mehr nachvollziehbar, in welchen Bereichen der Plattform oder ihrer Algorithmen die hochgeladenen Inhalte Spuren hinterlassen. Dadurch ist eine vollständige DSGVO-konforme Auskunft oder Löschung praktisch nicht mehr möglich.
Rechtliche Bewertung (DSGVO): Eine solche Weiterverwendung ist nur dann zulässig, wenn sie auf einer wirksamen Rechtsgrundlage beruht. CapCut beruft sich insoweit auf das „berechtigte Interesse“ (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO). Das steht jedoch in Spannung zu den Rechten betroffener Personen (Art. 7, Art. 9 DSGVO), insbesondere wenn biometrische Merkmale oder sensible Datenkategorien erfasst werden.
Wichtig: Die Trennung zwischen „klassischen personenbezogenen Daten“ und „Inhaltsdaten“ wird nicht sauber vorgenommen. In der Praxis ist aber jede Videosequenz mit einem erkennbaren Gesicht oder einer klaren Stimme per se datenschutzrechtlich relevant.
3.3 Internationale Datentransfers
Originaltext:
„We may process personal information … on servers located in the United States, Malaysia, and Singapore …“ (Privacy Policy, Zeile 96, Stand 12.09.2024)
Erläuterung: CapCut speichert und verarbeitet personenbezogene Daten nicht ausschließlich in der EU, sondern auf Servern in Drittstaaten, darunter:
- USA (kein Angemessenheitsbeschluss seit „Schrems II“-Urteil),
- Malaysia (kein EU-Angemessenheitsbeschluss),
- Singapur (ähnlich).
Die Übermittlung dorthin erfolgt laut CapCut auf Grundlage sogenannter Standardvertragsklauseln (Art. 46 DSGVO) – also vordefinierter EU-Rechtsmuster, die den Empfänger zur Einhaltung eines bestimmten Datenschutzniveaus verpflichten sollen.
Bedeutung:
- Ihre Projekte (z. B. Videomaterial, Sprachaufnahmen, Branding-Elemente) werden technisch nicht innerhalb Europas verarbeitet, sondern können weltweit auf Servern gespeichert werden, über die Sie keine Kontrolle haben.
- Bei Verarbeitung in den USA besteht ein strukturelles Risiko, dass US-Behörden (z. B. FBI, NSA) im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung (z. B. CLOUD Act, FISA) auf die Daten zugreifen dürfen – auch ohne richterliche Genehmigung nach EU-Standards.
- Die DSGVO sieht solche Drittstaatentransfers nur unter strengen Voraussetzungen vor. CapCut weist selbst darauf hin, dass die Schutzmaßnahmen nicht den vollen EU-Standard erreichen – formuliert jedoch keine konkreten Garantien.
Risiken:
- Verlust der Datensouveränität: Ihre Inhalte (inkl. Gesichter, Stimmen, Logos) befinden sich technisch außerhalb des europäischen Rechtsraums – ein Zugriff, eine Berichtigung oder Löschung ist nicht mehr vollumfänglich durchsetzbar.
- Haftungsrisiken bei Kundenverträgen: Falls Sie gegenüber einem Auftraggeber zugesagt haben, ausschließlich EU-konforme Plattformen zu verwenden oder keine Drittstaatentransfers vorzunehmen, kann die Nutzung von CapCut vertragliche Pflichtverletzungen darstellen.
- Reputationsrisiko: Für Marken oder Unternehmen mit erhöhtem Datenschutzanspruch (z. B. im Gesundheitsbereich, im Bildungssektor oder bei öffentlichen Auftraggebern) kann allein die Nutzung eines Dienstes mit Drittlandverarbeitung imageschädlich sein – auch wenn technisch kein Fehler vorliegt.
Rechtliche Bewertung (DSGVO): Der Europäische Gerichtshof hat in „Schrems II“ (2020) klargestellt, dass Standardvertragsklauseln allein nicht ausreichen, wenn in den Empfängerländern keine wirksamen Rechtsschutzmechanismen existieren. In den genannten Ländern – insbesondere in den USA – ist das Datenschutz-Schutzniveau nicht gleichwertig mit dem in der EU.
Wichtig: Selbst wenn Sie CapCut nur nutzen, um Projekte intern zu schneiden oder vorzubereiten, erfolgt die Datenübertragung automatisch – auch dann, wenn Sie das Material nicht veröffentlichen oder exportieren.
3.4 Eingeschränkte Lösch‑ und Widerspruchsrechte
Originaltext: In der Privacy Policy (ab Zeile 197) werden zwar die Rechte der betroffenen Personen nach Art. 15 ff. DSGVO aufgeführt (Auskunft, Berichtigung, Löschung, Widerspruch etc.), gleichzeitig macht CapCut aber deutlich, dass diese Rechte nur eingeschränkt gelten, insbesondere für Inhalte, die bereits verarbeitet, lizenziert oder in andere Systeme übernommen wurden.
Erläuterung: Zwar räumt CapCut den Nutzern grundsätzlich ein, ihre personenbezogenen Daten löschen oder berichtigen zu lassen, doch in der Praxis werden diese Rechte durch zwei Einschränkungen erheblich relativiert:
- Verarbeitung und Weitergabe: Hat CapCut Inhalte bereits verarbeitet oder an Dritte weiterlizenziert (was laut ToS jederzeit möglich ist), besteht kein Anspruch auf vollständige Löschung. Das bedeutet: Auch wenn Sie oder Ihre Kunden die Löschung eines Videos verlangen, bleibt das Material dort bestehen, wo es bereits verwendet wurde – etwa in KI-Trainingssystemen, Index-Datenbanken oder bei Lizenznehmern.
- Nutzung als Trainingsdaten oder Systembestandteil: Inhalte, die maschinell analysiert oder zur Verbesserung der Plattform (z. B. für automatisierte Schnitte, Untertitel oder Werbealgorithmen) verwendet wurden, werden nicht individuell zurückgenommen. CapCut behält sich das Recht vor, daraus gewonnene „Lerninformationen“ dauerhaft zu verwenden.
Bedeutung: Selbst wenn Sie oder Ihr Kunde später feststellt, dass ein Clip:
- eine nicht freigegebene Person zeigt,
- urheberrechtlich geschütztes Material enthält,
- oder aus sonstigen Gründen entfernt werden sollte (z. B. nach Abmahnung, Vertragende, Markenrelaunch),
… besteht keine Garantie, dass die Daten tatsächlich aus dem gesamten CapCut-System gelöscht werden – schon gar nicht bei Drittverarbeitern im Ausland oder bei algorithmischer Vorverarbeitung.
Risiken:
- Haftungsrisiko bei Zusicherung von Datenlöschung: Falls Sie vertraglich zugesichert haben, dass Inhalte auf Wunsch des Kunden vollständig gelöscht werden können (etwa im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags), können Sie dieses Versprechen bei CapCut-Nutzung faktisch nicht einhalten.
- Unkontrollierbare Langzeitnutzung: Auch wenn ein Projekt längst abgeschlossen ist oder gelöscht wurde, bleiben Fragmente davon in Systemen, die Ihre Agentur nicht mehr kontrollieren kann. Daraus ergibt sich ein langfristiges Reputationsrisiko, insbesondere bei sensiblen Marken- oder Personenthemen.
- Rechtsdurchsetzung erschwert: Zwar bestehen Betroffenenrechte formell nach DSGVO, doch die praktische Durchsetzung gegen CapCut oder ByteDance in Drittländern ist kaum realistisch – weder schnell noch vollständig.
Rechtliche Bewertung: Ein effektives „Recht auf Vergessenwerden“ (Art. 17 DSGVO) besteht in der Praxis nur eingeschränkt, obwohl es gesetzlich vorgesehen ist. Die Kombination aus Weitergabe, Trainingsnutzung und Drittstaatenverarbeitung macht es nahezu unmöglich, personenbezogene Inhalte vollständig zurückzuholen oder zu löschen, sobald sie bei CapCut verarbeitet wurden.
4. Handlungsempfehlungen
Auf Grundlage der analysierten Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen von CapCut (Stand: 12. Juni 2025) ergeben sich erhebliche Risiken im Hinblick auf Rechteverluste, Datenschutzverstöße und Kontrollverlust über Kundeninhalte. Die folgenden Empfehlungen sollen Ihnen helfen, diese Risiken zu minimieren oder ganz zu vermeiden:
4.1 Grundsatz: Keine Nutzung bei vertraulichen oder rechtlich geschützten Inhalten
Verzichten Sie konsequent auf CapCut, wenn Sie Inhalte verarbeiten, die
- erkennbare Personen (z. B. Testimonials, Mitarbeiter, Sprecher) zeigen,
- markenrechtlich oder urheberrechtlich geschützt sind (z. B. Logos, Musik, Bewegtbildmaterial Dritter),
- sensibel, vertraulich oder embargo-behaftet sind (z. B. Produktlaunches, politische Statements, noch nicht veröffentlichte Kampagnen).
Begründung: Sie können nicht ausschließen, dass diese Inhalte systemintern verarbeitet, dauerhaft gespeichert oder automatisiert weiterverwendet werden – selbst nach Löschung oder Projektende.
4.2 Auswahl alternativer Tools
Nutzen Sie stattdessen Programme oder Plattformen, die
- entweder lokal auf Ihrem System laufen
- oder von EU-basierten Anbietern betrieben werden, die DSGVO-konforme Auftragsverarbeitungsverträge anbieten.
Ziel: Sicherstellung, dass sämtliche Verarbeitungen, Speicherorte und Lizenzbedingungen vollständig nachvollziehbar und kontrollierbar bleiben.
4.3 Einwilligungs- und Freigabemanagement
Wenn Sie ausnahmsweise CapCut verwenden (z. B. auf Kundenwunsch oder für rein interne Arbeitsstände), holen Sie von allen Beteiligten schriftliche Einwilligungen ein, die:
- den Einsatz der Plattform namentlich nennen,
- den potenziellen Rechteverlust und Drittlandexport erläutern,
- ausdrücklich die unbeschränkte Nutzung durch CapCut und Dritte mit umfassen.
Besonders wichtig: Diese Einwilligungen müssen vor dem Upload vorliegen – mündliche oder implizite Zustimmung reicht nicht aus.
4.4 Backup-Strategie und lokaler Projektschutz
Stellen Sie sicher, dass sämtliche Inhalte, die Sie auf CapCut hochladen (auch temporär), parallel lokal oder in einer sicheren Agentur-Cloud gespeichert werden. Dokumentieren Sie:
- Bearbeitungsstände,
- Veröffentlichungsdaten,
- Speicherorte.
Ziel: Wiederherstellbarkeit bei Sperrung oder Datenverlust und Nachweisführung bei etwaigen Kundenrückfragen.
4.5 Interne Richtlinie zur Tools-Nutzung
Erarbeiten Sie eine verbindliche interne Agenturpolicy, die regelt:
- welche Tools für welche Zwecke genutzt werden dürfen,
- welche Inhalte nicht extern hochgeladen werden dürfen,
- wer für die datenschutzrechtliche Einschätzung verantwortlich ist (z. B. Projektleiter, Datenschutzbeauftragter),
- wie regelmäßig Schulungen und Tool-Reviews erfolgen.
Empfehlung: Aktualisieren Sie diese Richtlinie mindestens jährlich – insbesondere bei Änderungen der AGBs oder Gesetzeslage.
5. Schlussfolgerung
Die Analyse der aktuellen CapCut-Nutzungsbedingungen und Datenschutzrichtlinie zeigt: Die Plattform räumt sich extrem weitreichende Rechte an allen hochgeladenen Inhalten ein – einschließlich der Erlaubnis, Bildnisse, Stimmen und Markenbestandteile dauerhaft und weltweit zu verwenden, zu verändern und an Dritte weiterzugeben. Ergänzt wird dies durch eine aggressive Datenverarbeitungspolitik, die selbst Entwürfe, nicht freigegebene Projekte und sensible Inhalte erfasst und maschinell auswertet.
Für eine professionelle Werbeagentur mit Mandantenverantwortung bedeutet das:
Der Einsatz von CapCut ist mit erheblichen rechtlichen, vertraglichen und reputationsbezogenen Risiken verbunden – nicht nur für Ihre Agentur, sondern vor allem für Ihre Kunden. Das betrifft insbesondere:
- die unkontrollierbare Weiternutzung von exklusivem Markenmaterial,
- die ungewollte Verwertung von Testimonials, Mitarbeiteraufnahmen oder Produktszenen in fremden Kontexten,
- sowie die fehlende Möglichkeit, Inhalte nachträglich zuverlässig zu löschen oder zu kontrollieren.
Zwar mag CapCut technisch attraktiv und intuitiv sein, doch aus rechtlicher Sicht ist die Plattform für den professionellen Agentureinsatz – insbesondere bei personenbezogenen, kreativen oder rechtlich geschützten Inhalten – nicht geeignet.
Empfehlung: Verzichten Sie vollständig auf CapCut bei Kundenprojekten oder sensiblen Inhalten und setzen Sie stattdessen auf rechtssichere Alternativen. Wenn die Nutzung in Ausnahmefällen erforderlich ist, müssen klare interne Regeln, vollständige Einwilligungen und dokumentierte Backup-Strategien sichergestellt sein.