Online-Bewer­tungs­portale sind grund­sätzlich zulässig

Laut einem Urteil des AG München ist ein Ärzte­be­wer­tungs­portal zulässig, soweit eine Nachver­folgung im Falle etwaiger belei­di­gender oder rufschä­di­gender Äußerungen möglich ist. Das Interesse der Öffent­lichkeit an der Verfüg­barkeit von Daten über medizi­nische Versor­gungs­mög­lich­keiten zusammen mit dem Recht auf Meinungs- und Kommu­ni­ka­ti­ons­freiheit überwiegt das Recht auf infor­ma­tio­nelle Selbstbestimmung.

Urteil

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten des Rechts­streits zu tragen.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstre­ckung der Beklagten durch Sicher­heits­leistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreck­baren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstre­ckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstre­ckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Tatbe­stand

Die Parteien streiten über die Löschung eines Eintrags des Klägers auf dem von der Beklagten betrie­benen Ärzte­be­wer­tungs­portal … . Daneben begehrt der Kläger die künftige Unter­lassung der Veröf­fent­li­chung seines Eintrags und den Ersatz seiner vorge­richt­lichen Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagte betreibt unter der Inter­net­adresse www. … .de ein Ärzte­be­wer­tungs­portal. Dort bietet sie eine Arztsuche und eine Ärzte­be­wertung an. Inter­net­nutzer können Infor­ma­tionen zu Ärzten und anderen Heilbe­ruflern kostenfrei abrufen. Soweit vorhanden sind auf dem Portal die von der Beklagten als Basis­daten bezeich­neten Infor­ma­tionen wie Name, Titel, Fachrichtung, Praxis­an­schrift und weitere Kontakt­daten sowie ggf. auch Sprech­zeiten und ähnliche praxis­be­zogene Infor­ma­tionen abrufbar. Diese Basis­daten bietet die Beklagte als eigene Infor­ma­tionen an. Nach vorhe­riger Regis­trierung können Bewer­tungen in einem Noten­schema und Freitext­kom­mentare einge­geben werden. Die Noten und Kommentare sind dann für andere Nutzer abrufbar und werden von der Beklagten als fremde Infor­mation angeboten. Eine Bewertung ohne vorherige Regis­trierung ist nicht möglich. Im Rahmen der Regis­trierung muss eine gültige E‑Mail-Adresse angegeben werden, die im Zuge des Regis­trie­rungs­vor­gangs verifi­ziert wird.

Der Kläger ist Gynäkologe. Im Inter­net­auf­tritt der Beklagten ist über ihn ein Eintrag mit folgenden Daten vorhanden:

Dr. …

Arzt, Frauenarzt (Gynäkologe)

… Platz …, … München

Darunter finden sich drei anony­mi­sierte Bewertungen:

Bewertung vom 24.01.2012: toller Arzt — sehr empfehlenswert

Bewertung vom 27.01.2012: na ja…

Bewertung vom 15.03.2012: kompe­tenter, netter Arzt, sehr zu empfehlen!

Als der Kläger Ende Januar 2012 davon erfuhr, dass er in dem Bewer­tungs­portal der Beklagten bewertet worden war, setzte er sich deshalb mit der Beklagten in Verbindung. Am 15.03.2012 erhielt der Kläger Post von der Beklagten mit dem Inhalt, dass er bewertet worden sei (Anlage K2). Am 27.03.2012 ließ der Kläger die Beklagte mit Schreiben seiner Prozess­be­voll­mäch­tigten zur Löschung seines Eintrags bis zum 01.04.2012 auffordern (Anlage K3). Mit Schreiben vom 04.04.2012 wies die Beklagte das Löschungs­be­gehren des Klägers zurück (Anlage K4).

Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe ihm bereits im Januar 2012, als er sich das erste Mal wegen seines Eintrags an sie wandte, die Löschung des Eintrags innerhalb von vier Wochen zugesagt. Im Übrigen habe er für die ersten beiden Quartale des Kalen­der­jahres 2012 bereits einen Umsatz- bzw. Patien­ten­rückgang verzeichnen müssen. Dies sei unmit­telbar in Zusam­menhang zu bringen mit den ersten Bewer­tungen auf der Inter­net­seite der Beklagten im Januar 2012.

Der Kläger ist der Ansicht, die Speicherung seiner perso­nen­be­zo­genen Daten durch die Beklagte sei unzulässig. Er habe wieder in die Speicherung seiner Daten einge­willigt, noch sei diese von Gesetzes wegen gestattet. Im Rahmen das hier anzuwen­denden § 29 BDSG spräche ein schutz­wür­diges Interesse des Klägers für den Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Verän­derung seiner Daten. Die insoweit vorzu­neh­mende Abwägung zwischen dem Recht des Klägers auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung und dem Recht der Beklagten auf Kommu­ni­ka­ti­ons­freiheit falle zu Gunsten des Klägers aus.

Der Kläger beantragt:

  1. Die Beklagte wird verur­teilt, die auf der Inter­net­seite www. … .de veröf­fent­lichten Daten des Klägers bestehend aus Name, Titel, Fachbe­reichs­be­zeichnung, Praxis­an­schrift und Telefon­nummer, sowie alle Einzel­be­wer­tungen, sowie die Gesamt­be­wertung durch Noten­gebung in Form von Schulenoten zwischen 1 und 6, mithin das gesamte auf der Inter­net­seite der Beklagten abgebildete Persön­lich­keits­profil des Klägers zu löschen.
  2.  Die Beklagte wird verur­teilt, es zu unter­lassen, die persön­lichen und berufs­stän­di­schen Daten des Klägers, bestehend aus Name, Titel, Fachbe­reichs­be­zeichnung, Praxis­an­schrift und Telefon­nummer, sowie alle Einzel­be­wer­tungen, sowie die Gesamt­be­wertung durch Noten­gebung in Form von Schul­noten zwischen 1 und 6, mithin insgesamt ein Persön­lich­keits­profil des Klägers auf ihrer Inter­net­seite www. … .de zu veröffentlichen.
  3. Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwider­handlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festge­setzt wird.
  4. Die Beklagte wird verur­teilt, an den Kläger vorge­richt­liche Rechts­an­walts­kosten in Höhe von 316,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basis­zinssatz seit Rechts­hän­gigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt vor, sie habe dem Kläger im Januar 2012 nicht die Löschung seines Eintrags zugesagt.

Sie ist ferner der Ansicht, dem Kläger stehe kein Löschungs­an­spruch zu, weil die Speicherung seiner perso­nen­be­zo­genen Daten recht­mäßig erfolgt sei. Es bestünde kein Grund zu der Annahme, dass der Kläger ein schutz­wür­diges Interesse am Ausschluss seiner Daten nach § 29 BDSG habe.

Zur Ergänzung des Sachver­halts wird auf die zwischen den Parteien gewech­selten Schrift­sätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2012 Bezug genommen.

Entschei­dungs­gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht weder ein Löschungs- noch ein Unter­las­sungs­an­spruch gegen die Beklagte zu.

Ein Löschungs­an­spruch nach §§ 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG, 823 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 4 BDSG, § 1004 BGB besteht nicht, weil dem Kläger nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG kein schutz­wür­diges Interesse am Ausschluss der Erhebung und Speicherung seiner Daten durch die Beklagte zukommt.

Gemäß § 29 Abs. 1 BDSG ist das geschäfts­mäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen perso­nen­be­zogene Daten zum Zweck der Übermittlung, insbe­sondere wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien oder dem Adress­handel dient, zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutz­wür­diges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Verän­derung hat, die Daten aus allgemein zugäng­lichen Quellen entnommen werden können oder die verant­wort­liche Stelle sie veröf­fent­lichen durfte, es sei denn, dass das schutz­würdige Interesse des Betrof­fenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Verän­derung offen­sichtlich überwiegt, oder die Voraus­set­zungen des Paragraphen 28a Abs. 1 oder Abs. 2 erfüllt sind.

Ein schutz­wür­diges Interesse am Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Verän­derung perso­nen­be­zo­gener Daten durch die Beklagte wäre im vorlie­genden Fall gegeben, wenn das Recht des Klägers auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das Recht der Beklagten auf Kommu­ni­ka­ti­ons­freiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG überwiegen würde.

Im Falle der von der Beklagten als Basis­daten bezeich­neten Daten müsste das schutz­würdige Interesse des Klägers das Interesse der Beklagten sogar offen­sichtlich überwiegen. da diese Daten unstreitig aus allgemein zugäng­lichen Quellen entnommen wurden (§ 29 Abs. 1 Nr 2 BDSG).

Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die von dem Kläger angeführten Umstände berühren zwar den Schutz­be­reich seines allge­meinen Persön­lich­keits­rechts und damit auch seines Rechts auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung. In ihrer Gesamtheit wiegen sie aller­dings nicht so schwer, dass sie im Rahmen der Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung dem Recht auf Meinungs- und Kommu­ni­ka­ti­ons­freiheit vorgehen würden.

Soweit der Kläger vorge­tragen hat, dass Personen, die eine Bewertung abgeben wollen, sich bei der Beklagten nicht regis­trieren müssen, sondern völlig losgelöst von einer Nutzer­kennung und vollkommen anonym Bewer­tungen abgeben können, so ist die Beklagte dem mit dem unbestrit­tenen Vortrag entge­gen­ge­treten, dass erst nach voran­ge­gan­gener Regis­trierung und Verifi­zierung einer gültigen E‑Mail-Adresse die Abgabe einer Bewertung möglich ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist damit eine Nachver­folgung im Falle etwaiger belei­di­gender oder rufschä­di­gender Äußerungen gerade möglich. Dem stehen auch die von dem Kläger mit Anlage K5 vorge­legten Auszüge aus dem Regis­trie­rungs­vorgang bei der Beklagten nicht entgegen. Dort heißt es: “Damit wir Ihre Bewertung prüfen und veröf­fent­lichen können, ist es notwendig, dass Sie Ihre E‑Mail-Adresse eingeben. Diese wird nicht veröf­fent­licht — Sie bleiben anonym”. Hieraus ergibt sich, dass der Beklagten die jeweilige E‑Mail-Adresse eines Bewerters bekannt und damit eine Nachver­folgung im Falle belei­di­gender oder rufschä­di­gender Äußerungen möglich ist.

Soweit der Kläger vorträgt, es seien keine Schutz­me­cha­nismen vorhanden, die ein Auffinden seines Bewer­tungs­profils bei der Beklagten in Internet Suchma­schinen wie google verhindern würden, vermag das Gericht die Relevanz dieses Vortrags für den vorlie­genden Fall nicht zu erkennen. Dass Inhalte aus dem Internet über Suchma­schinen gefunden werden können ist ein alltäg­licher Vorgang. Soweit der Kläger meint, bei der Beklagten finde eine unzurei­chende Daten­kon­trolle statt, weil bei einer Inter­net­re­cherche über google die negativen Bewer­tungen des Klägers weit vor den positiven in der Treffer­liste angeführt würden, überzeugt dies das Gericht nicht. Denn, wie die Beklagte — unbestritten — dargelegt hat, hängt das Ergebnis der Recherche in einer Inter­net­such­ma­schine maßgeblich von dem verwen­deten Suchbe­griff ab und steht nicht von vornherein fest.

Letztlich führt auch der Vortrag des Klägers, er werde durch die Beklagte in keinster Weise vor diffa­mie­renden Herab­set­zungen geschützt, da eine Schalt­fläche zum melden solcher Äußerungen im Portal der Beklagten fehle nicht zur Annahme eines schutz­wür­digen Inter­esses am Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Verän­derung seiner Daten bei der Beklagten. Denn dem Kläger stand es frei, sich telefo­nisch oder schriftlich an die Beklagte zu wenden. Dies hat er seinem eigenen Vortrag zufolge auch getan. Insoweit kann dahin­stehen, ob eine entspre­chende Schalt­fläche schon zum Zeitpunkt der Bewertung des Klägers bestand oder erst danach einge­führt wurde. Die Einver­nahme der angebo­tenen Zeugen Maier war deshalb nicht erforderlich.

Für seine Behauptung, er habe wegen der Bewer­tungen auf der Inter­net­seite der Beklagten in den ersten beiden Quartalen des Kalen­der­jahrs 2012 einen Umsatz- bzw. Patien­ten­rückgang hinnehmen müssen, hat der Kläger trotz Ankün­digung keinen Beweis angeboten. Sein Vortrag musste insoweit unberück­sichtigt bleiben.

Auf Seiten der Beklagten wird das von der Meinungs- und Kommu­ni­ka­ti­ons­freiheit getragene Interesse an der Veröf­fent­li­chung der Daten des Klägers durch ein Interesse der Öffent­lichkeit an der Verfüg­barkeit von Daten über medizi­nische Versor­gungs­mög­lich­keiten dagegen noch verstärkt. Insoweit kann nach Ansicht des Gerichts auch auf die Grund­sätze der Entscheidung des BGH vom 23.06.2009 (NJW 2009, 2888 — spickmich.de) abgestellt werden, die auch bzw. um so mehr Geltung beanspruchen können, wenn es um das Interesse der Öffent­lichkeit an der Infor­mation über ärztliche Versor­gungs­mög­lich­keiten geht. Denn hier kommt es der Entscheidung ob, bzw. von welchem Arzt sich der Einzelne behandeln lassen will zugute, wenn diese Entscheidung auf eine möglichst fundierte und breite Entschei­dungs­grundlage gestellt werden kann. Neben anderen Faktoren bei der Auswahl eines Arztes bietet das Inter­net­portal der Beklagten wegen des darin abgebil­deten breiten Meinungs­bildes dazu eine sinnvolle Möglichkeit und besteht deshalb ein öffent­liches Infor­ma­ti­ons­in­teresse an der Veröf­fent­li­chung solcher Daten durch die Beklagte.

Vor diesem Hinter­grund vermag das Recht des Klägers auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung das Recht der Beklagten auf Kommu­ni­ka­ti­ons­freiheit nicht zu überwiegen. Für das Gericht besteht deshalb kein Grund zu der Annahme, dass der Kläger ein schutz­wür­diges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Verhin­derung seiner Daten durch die Beklagte hat. Er kann die Löschung seiner Daten von der Beklagten daher nicht verlangen.

Aus den oben genannten Gründen steht dem Kläger auch kein Unter­las­sungs­an­spruch gegen die Beklagte aus den §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 BDSG zu.

Da kein Löschungs­an­spruch besteht, kann der Kläger auch keine vorge­richt­lichen Rechts­an­walts­kosten von der Beklagten verlangen.

Die Kosten­ent­scheidung beruht auch § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck­barkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Streit­werts erfolgt nach §§ 3 ZPO, 63 Abs. 2 GKG wobei das Gericht das Interesse des Klägers unter Berück­sich­tigung seiner beruf­lichen Tätigkeit und der streit­ge­gen­ständ­lichen Bewer­tungen mit 3.000,00 € ansetzt.

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